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das “Lektorat” als angemessene Antwort

Liebe Nachwuchsfotografen! Solange Ihr noch kein Studio Euer eigen nennen könnt, noch nicht allgemein bekannt und hoch bezahlt seid, werdet Ihr folgende Fotoanfragen von entfernteren, gerne selbsternannten Freunden kennen und jedes Mal aufs Neu um angemessene Beantwortung ringen:
Hättest Du Lust, uns mit Deinem geballten Fachwissen am 26.10. auf dem Konzert zu fotografieren?
Verwendung: Facebook – natürlich mit Herkunftsnachweis.
Geld: haben wir keins, aber Du kriegst ein Essen (im Salon)
Würde mich sehr freuen! Und Du darfst auch im Salon ein Werbefeuerwerk abfackeln, wie Du willst dann.

Anstatt nun stumm-anklagend mit Bildern zu antworten, unter Bedenken zuzusagen oder mit den großen grundlegenden Antworten zu langweilen, daß Fotografieren = Arbeit , Aufwand und Lebenszeit, das Einbringen von Erfahrung, ein gutes Foto Gold wert ist etc. etc. habe ich ein “Lektorat” entworfen, das in realsatirischer Form zeigt, wo es denn hinnegehen soll:

man reagiert nicht als dankbarer/fassungsloser/beleidigter Fotograf, sondern als Verdeutlicher, ja, Coach:

Sehr geehrtere Herren!

Vielen Dank für Ihr Interesse an unserem Lektorat! Zu Ihrem eingesandten Textentwurf für eine  preiswerte Fotografenaquise ist klar zu konstatieren: bevor man diesen vermailt, kann man noch Einiges verbessern :

  • Professionelle Kulturverwerter machen mit den Kreativen/Fotografen, die sie im Blick haben, immer auf DU-und-Du, in einem fast verschwörerischen Tonfall. Etwa so: “Wir haben da ein super Ding. Wird voll der Knaller.” “Der Chor/die Band wird begeistert sein. Die wollten dich ja schon immer mal persönlich kennenlernen. Weißt Du eigentlich, daß da einige Deiner größten Fans mitsingen/dabei sind??” etc.
  • Sehr dankbar sind Fotografen, mit denen man einen kurzen persönlichen Kontakt vereinbart- wenn man diesen nicht sowieso schon pflegt- das suggeriert Ernsthaftigkeit und Seriosität. Je bekannter man selber schon ist als “Kulturmensch”, “Veranstalter”, Lokalpromi oder “Förderer”, desto besser die Wirkung eines solchen, meist ersten Treffens- wie kurz auch immer es sein mag! Unbedingt zu empfehlen!
  • “Verwendung: facebook” ist ok. Klingt so nach privat und unspektakulär. So lokal. Nur für uns. Und: macht/kennt ja jeder: n paar Handyknipsefotos hochladen.
  • “Autorennennung” klingt viel besser als “Herkunftsnachweis”. Direkter. Persönlicher. Journalistisch beschlagen. Nach Respekt, Urheber, Schöpfung. Dem Meister.
  • “Wir haben kein Geld”. Kann man zur Verbesserung mit leider unterstreichen.
    Wichtig: Es wird NIE etwas dafür geboten. Bezahlung ja sowieso keine, noch weniger aber “ein Essen” “eine Fahrt mit der Gondeletta” “ne Kinokarte”- damit wird nur auf ungute Weise ein Gegenwert suggeriert.

Viel besser: es wird nur zwischen den Zeilen versprochen: Coolness, Glanz, Glamour, eine Mitgliedskarte für die In-Crowd, für das gesamte Festival, alle Tourdaten.

Zur weiteren Vorgehensweise:

Wenn die Bilder dann im Sack und online sind, kann man in einer schulterklopfenden Folgemail , die in einem professionell sachlich gehaltenen Tonfall leichte Euphorie andeutet – von den begeisterten Reaktionen des Publikums, des Chors – die gemeinsamen Erfolge auflisten. Die meisten “teilnehmenden” Fotografen dieser Sorte, die ich da kennengelernt habe, begnügen sich dann schnell mit dem “Werbeeffekt” und lassen gut sein.
Großes Plus: Und man kann bis zur nächsten großen “Aktion” in freundschaftlicher Verbindung bleiben.
Ein richtig guter Trick ist: man stellt dem Fotografen eine Kamera (“Knipse”) zur Verfügung an diesem Abend. “Brauchst Dich nicht um die Technik zu kümmern- das besorgen ALLES wir”. Die nimmt man dann hinterher wieder mit. Und hat ALLE Bilder. Auch die, die ein Profi löschen würde. Und: der Fotograf kann nicht mal ohne richtig großen Aufwand und Zeugen beweisen, daß er diese Bilder auf Ihrer Kamera gemacht hat- er hat die Aufnahmen ja auch nicht mal gesehen!!
    • Wir freuen uns schon und werden dann ein Werbefeuerwerk abfackeln. Du kannst im großen Stil Deine mitgebrachten Bilder verkaufen. Der Wirt ist auch schon sehr interessiert. Bring mal lieber die doppelte geplante Menge mit!

 

Soweit meine Lektorenvorschläge.
Dann nennt man noch ne Latte Fotografen, die “da empfänglich wären”: zeigt also auf einschlägig bekannte Kollegen. Damit diese, sollten sie mit diesem “optimierten” Ultrazynismus tatsächlich beworfen werden, mal ordentlich die Weckerklingel schrillen hören. Oder eben stoisch ihr Ding weitermachen.
PS.: hab ich von nem Rechtsanwalt abgeschaut: man richtet eine e mail-Adresse namens “beratung@…” ein und gibt diese als Kontaktadresse an: “Anfragen unter”. Dann kann man testballonmäßig noch eine Beratungsgebühr fürs Lektorat berechnen, denn unter dieser Adresse handelt es sich ja nicht um eine Fotoanfrage sondern um eine Hilferuf zur ergebnisorienterteren Verhandlungskompetenz. ;-) demnächst mehr Sparringtipps von Eurem frischerfundnen
Chulch R. MacYavell