“Richtige Nummer- falscher Zeitpunkt!” so lautet die Ansage auf dem AB eines Freundes und trifft das Phänomen exakt, wenn man, unterwegs, an den Örtlichkeiten vorbeikommt, die schon Modell für Postkarten “gestanden” haben, nun aber komplett verändert aussehen.
Einfach dadurch, daß die Lichtverhältnisse, Farben oder Jahreszeiten gewechselt haben. Auf diese Weise entstellt, fallen diese Motive als solche überhaupt nicht mehr ins fotografische Auge, ja, sind fast immer durch eben das “falsche” Licht ihrer fotogenen Qualität schlicht beraubt. Interessanterweise aber nicht vollständig. Nachdem mir das an diversen Plätzen und zu Tageszeiten mit komplett anderer Beleuchtungsrichtung aufgefallen ist, habe ich irgendwann angefangen, ein paar Motive unter Vorlage des “Originals” nachzuschießen, um den exakt gleichen Blickwinkel und Bildausschnitt zu reproduzieren.
Dabei kamen interessante Dinge zum Vorschein: -Die Proportionen der einzelnen Elemente im Bild bleiben ja gleich, allerdings tun Flora, Personal im Bild und Licht das ihrige, um ein völlig neues Bild entstehen zu lassen. Die ursprüngliche Wirkung verschwindet, aber eben nicht ganz. Ein neues Betätigungsfeld tut sich auf, wenn man diese Erkenntnis seriell fortsetzt und mehrere Bilder in zeitlichen Abstand folgen läßt. -Man sieht diese Variablen plötzlich wirklich als solche und kann sich an anderen Stellen der Stadt, wo man auf “interessant riechende” Motive gestoßen ist, plötzlich vorstellen, unter welchen Lichtbedingungen diese das Optimum erreichen würden.
Somit hilft die wrong time gallery der Imaginationskraft kräftig auf die Sprünge. Und das von einer Seite, die man nicht mal für existent gehalten hätte. -die Revision schon postalisch abgehakter Örtlichkeiten gewinnt dadurch an Faszination und erscheint plötzlich einer erneuten Betrachtung wert.
Spannend finde ich die Vorstellung, zu einem anderen Zeitpunkt von gleichen Motiv eine ebenso ästhetisch wertige Aufnahme zu erzielen wie die der “Vorlage”. Was bislang noch nicht der Fall ist und ich mich mit der ebenbürtigen Herausforderung für die geplante Serie 07, der klassisch “verflixten” mit der Aufgabe anfreunde, die Motive der ersten Serie erneut aufs Korn zu nehmen. Immerhin sind zwei Treffer schon im Kasten..
Fazit: die Erde mit diesem Fleckchen Stadt dreht sich immer neu und eben nicht ewig gleich weiter und gebiert an den unwahrscheinlichsten Orten, die man zigmal achtlos durchstreift hat neue Sensationen, die es wert sind, festgehalten zu werden. Sollte man da gerade mit Kamera vorbeigekommen sein. Mal von der Tatsache ganz abgesehen, daß sich Fotografenblicke über die Zeit ebenso verändern und dadurch eine dritte Dimension der fotografischen Möglichkeiten hinzukommt.
__________________________________________________________________________ Musik beim Schreiben heute:
Madrid de los Austrias “Mas Amor!”, Sunshine Enterprises, 2009
Tamba 4 “We And The Sea”, Verve, 1967