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Fahrigkeit im Bild* oder: das Zeichnen als Gestikulieren sehen

Man kann nicht nur täglich üben, eine vielsagende Kurve oder elegant präzise Schraffur, auch gegen anatomische Disposition(= gegen den Strich) zu perfektionieren. Man kann zur  gegenteiligen Abwechslung mal erstaunt sein darüber, daß man mit etwas willentlicher Unterstützung (=Absicht) einfach zulassen kann, daß tatterig und offenscheinlich planlos, gar mit einem Anflug von Zittrigkeit/geistiger Abwesenheit Neues entsteht. Das klappt frühlich morgens am besten, ich berichtete ;-)

Meine erstaunliche Erfahrung dabei nach mittlerweile 15 Quadratmeter (!) vollgekritzelter Fläche seit Mitte Juli: eine “Spur” entsteht so auf dem Papier, die eben so sehr charakteristisch ist wie..hey! – eine Geste, eine Körpersprache, ein Bewegungsmodus. Die sich als “Stil” auf dem Papier niederschlägt und.. highly wiedererkennbar ist.

Bemerkt man diesen Zusammenhang, kann man das Zeichnen &  Malen, als Art KörpersprachenNiederschlag sehen.

Und die ganze Sache somit nicht mehr motivistisch, sondern gestisch angehen. Also einen im deutschen Wiki bemerkenswert ungenannten Teil des Prinzips “Action Painting” im kleinen DIN-Rahmen ;-) in seine Tätigkeit als Rezept zur Bild- und Gestaltgewinnung mit einbeziehen.

Beispiele:  wenn auch impulsiv mit Schwung gezeichnet, sind folgende drei Ausschnitte doch sehr gesteuert = zeichnerisch sozialisiert:

 ebk-scan-150806-62h  ebk-scan-150806-62d  ebk-scan-150805-61c

während diese nachfolgenden das heute Gemeinte darstellen:

ebk-scan-150725-45bfahrig  ebk-scan-150727-49  ebk-scan-150727-49-2 ebk-scan-150716-31fahrig  ebk-scan-150727-47efahrig ebk-scan-150727-47fahrig

Strichspuren, die mich in der “gelungensten” Form an..  Absichtslosigkeit erinnern. Also an Spuren von Tätigkeiten, die ohne Willen entstehen bzw. man erkennen kann, daß die Aufmerksamkeit des Verursachers anderen Dingen zugewendet war. Das probiere ich immer wieder gerne mit den Stiften: zum schönsten, einfachen Beispiel mehrere in der Faust bündeln und versuchen, mich auf die Beibehaltung dieser Bündelung zu konzentrieren. Während die Stiftspitzen auf dem Papier irgendwas machen. Das ergibt dann Folgendes:

ebk-scan-150708-17fahrigWie Wischspuren von ehemaligen Bäumen und Ästen an Außenwänden, die schon lange gekappt sind. Oder wieder freigeräumte Werkbänke nach Schul- oder Arbeitsschluß, Einpackflächen in Kaufhäusern, unbeachtete Ablageflächen von Zeitungen, Kleidung oder ähnlich Schnelldrehern. Jetzt, wo ich gerade die entstandenen Bilder durchgucke, ist klar zu bemerkennen, wo “zuviel” zeichnerische Wille am Werk war: zu akkurat die Linienführung, zu durchsichtig die schlampige Absicht ;-)   Das WAHRE Fahrige ist da schwieriger hinzukriegen..

Die Ergebnisse lassen sich dann sogleich zeichnerisch wiederholen, um noch breitere Inspiration zu erhalten. Ratet doch mal, welche Fgur hier unten die erste war ;-) :

ebk-scan-150725-45fahrig

Ebenso spannend finde ich, nach Gehör und Musik der Stifte zu malen (ja, richtig gelesen): man wählt ein kurzes Riff, eine rhythmische Figur, die beim schnellen Malen einer ebenso kleinen Figur (Strich) entsteht. Und wegkonzentriert sich vom Papier auf die “ordnungsgemäßen” Geräusche beim Malen. Und kann dann staunen, was dabei herauskommt:

ebk-scan-150714-28h ebk-scan-150629-08bflight ebk-scan-150720-39-rhythm

Das mittlere profitiert vom “Rebound” der Stifte, eigentlich ein Phänomen aus dem Bereich Schlagzeug/Mallets.

Wenn man, wie ich, Umgang mit sehr vielen, sehr unterschiedlichen Menschen hat, kann man diese erlebte Vielfalt als Prinzip in die Bildgestaltung übernehmen. Schaut und fühlt doch mal, ob Ihr in folgenden Kritzeln so etwas wie einen bestimmten Menschentypus ausmachen könnt (die sind zuerst gezeichnet, danach erst kam die Idee):

ebk-scan-150724-44c_pers1 ebk-scan-150724-44c_pers2 ebk-scan-150724-44c_pers3 ebk-scan-150724-44c_pers4 ebk-scan-150724-44c_pers5 ebk-scan-150724-44_pers ebk-scan-150724-44_pers2 ebk-scan-150724-44_pers3 ebk-scan-150723-43f-pers

* Ich liebe diese leider wieder verschwundene Wiki-Unterüberschrift “Laugengebäck im Bild”, die ich mal beim zugehörigen Artikel entdeckt habe und verbaue/memorialisiere sie heute mal im Titel.

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Musik beim Schreiben heute:

Diego Figueiredo, Na Baixa do Sapateiro v.1

Marco Pereira – Na Baixa do Sapateiro – Festival Acordes do Rádio

The Bambi Molesters: “in: Sonic Bullets”, Dancing Bear, 2001

Was (Not Was): “Hello Dad.. I´m In Jail” Phonogram, 1992

Blur: “Parklife”, Food Records, 1994

die Grafen des Tages

Nicht, daß die Fotografie nun abgemeldet wäre auf dieser Seite. Nein, nein, sie ist da. Grad “erklickt” per Bildersuche auf www.lenscratch.com (1. & 3.) bzw. munchies.vice.com (2.):

  1. Fred Lyon (*1924) grandiose Retro-San Francisco-Fotos auf slate.com
  2. Michael Massaias interessanter Mix aus a) schwach beleuchteten, farbfreien Gegend- und Gefährten und b) gruselig-lustig bunt meltenden Eis und Kaugummis.
  3. Hunde ziehen Leuchtspuren auf dem Nachtgassigang mit JT Blatty und verwandeln Gewohntes in Neues.

Meine  Leuchtspuren des Tages indes sehen kameralos so aus:

ebk-scan-150804-60e  ebk-scan-150804-60b ebk-scan-150804-60f

und schwarzweiß “Aufnahmen” hätte ich auch:

ebk-scan-150719-36b ebk-scan-150711-23eshifteds ebk-scan-150711-23ebw

Nur bei Fotos aus San Francisco der 40er-60er Jahre muß ich passen ;-)

Frühstücksfigur!

Man kann nicht sagen, wonach man sucht. Es muss das Überraschende sein. Es muss eine eigene Form haben, eine eigene Sprache, Notwendigkeit. Umgekehrt formuliert: Es dürfen keine Bilder sein, die man schon oft gelesen hat. Nichts, was zu naheliegend ist.

Das hab ich gestern  von der S. Fischer-Lektorin Petra Gropp im Netz gefunden. Und, obwohl es ihr da natürlich um (noch) unbekannte Literatur geht, ist diese “Eingangsbedingung” genau das, was ich zur Zeit mit meinen aufgegriffenen Buntstiften bildgeberisch anstelle. Wie diese große, grüne, luftige  “Frühstücksfigur” da rechts mittig, die mir heute morgen gelungen/herausgerutscht ist:ebk-scan-150803-59fruehsKeine zwei Sekunden und in dieser wohlgerundeten, vertrauenserweckenden Form so nicht wiederholbar – das kann mich als vom Ergebnis selbst erstaunten Schöpfer doppelt begeistern. Da muß man rechtzeitig stoppen, um die kühne Anfangsidee zu erhalten – lediglich zwei Segmente hab ich wegen des optimalen optischen Gewichts ausgemalt – fertig. Über so einen Wurf bin ich immer sehr erstaunt, um nicht zu sagen glücklich. Schließlich hat man schon mehrere Jahrzehnte Seh-Erfahrung hinter sich, und daß etwas Unbekanntes auftaucht, gar unter dem eigenen Stift, ist unbeschreiblich, ist unwahrscheinlich.

Wenn Ihr nun denkt: «naja, ein bißchen Kritzeln und das dann so hochloben ist ja äächt leicht übertrieben.»

Doch jedoch mir geht es da anders: da ist plötzlich etwas, was ich noch nie so (harmonisch oder  spannend in Komposition und/oder Farbe) gesehen habe. Und beim unscheinbaren “BuntStiftMalen” etwas Neues zu finden, finde ich großartig. Denn das kann man ja dann weiter interpretieren. Als “Hauptdarsteller” eines künftigen Gemäldes zum Beispiel. Wie eine Formel, die existent wird und das Schaffen der Zukunft beeinflußt. ebk-scan-150803-59frstfgSo geht es mir seit Wochen- immer wieder erstaunt mich die Unvorhersagbarkeit nach dem “Umdrehen” der Farben und Helligkeiten. Hier noch ein Beispiel von vorgestern:ebk-scan-150802-55cDas Ganze morgens, kaum ist man aus dem Bett, zu machen, ist wichtig: es geschehe mit dem noch schläfrigen Körper und einer dementsprechend  zerebral noch nicht vollständig motorisch kontrollierten Hand. Die macht stattdessen körpereigene Erinnerungsbewegungen, nur mäßig beeinflußt vom erwachenden Hirn. Das wiederum ist wohl noch wiederkäuend mit den jüngsten Input beschäftigt und erzeugt mit der manuellen “Automatik” das Unbekannte.

“Jüngster Input” bei mir: eine gestern erlebte Vision  von organisch “gedrehten” Zelten für Flüchtlinge , die auf dunklen Wegen zu dieser Form beigetragen haben mag – eine neue Herausforderung für Architekten in diesen Zeiten. Denn: “Designer und Architekten setzen sich mittlerweile nicht mehr nur mit der Formsprache ihrer Produkte auseinander, wie bei Bobby Kolade oder Van Bo Le-Mentzel sind auch die gesellschaftlichen Hintergründe relevant geworden.” Anscheinend wird nun endlich das Thema Upcycling, Selbermachen und ein Überdenken der altehrwürdigen Vernichtungsgewohnheiten wahrgenommen. (Vernichtung = consumare)

Hier noch ein Zoom-In auf die beiden winzigen “Gestalten” unten rechts, die ich auch interessant finde in ihrer unzureichenden Zurechnungsfähigkeit:

ebk-scan-150803-59bIrgend eine Mutation aus Eiskufe, Fleischerhaken und Hieroglyph, zackigesInitialen, das rechte Sechzigerjahre Raumkäpselchen, Spinnenelefant auf drei Beinen dafür mit Rüssel ohne Ohren sind mir wert, ans schwarze Brett im Flur gepinnt zu werden – da kommt sicher die nächstgrößere Idee angeflogen irgendwann!

Darüberhinaus gefunden: Tensegrity: Stäbe und Seile machen einen Raum. Hier: Fotos

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Musik beim Schreiben heute:

Thomas Fehlmann: “Gute Luft”, flow publishing/BMG, 2010

Rasterfahndung @ home: TechnoCover 1996

“Ich bin neidisch auf Deine Plattensammlung” schrieb mir mal Matthias und bezog sich auf meine alte Gewohnheit, den Soundtrack zu meiner Bloggerei am Ende der Artikel zu posten. Nun höre ich seit langem mal wieder eine meine Lieblingstechnoplatten. Und kann sie aber nicht ergoogeln. Ein neuer Anlaß, die Bildfindung im Netz mal zu testen. Also bau ich das Cover grob nach (scannen würde auch gehen, aber ich will es der Maschine nicht so einfach machen): es geht darum, Ähnliches zu “erkennen”.

Also ein erster Versuch mit dem da: touche-1996-nachbau

87 x 87 Pixel, das sind 7569 total. Sehr wenig im Größenvergleich zu den Daten im Netz, oder?! Das Suchergebnis bei Google ist hier nachzusehen. Erstaunlich part 1: selbst diese einzelne (!) Bildersuche per einzelnem Upload “merkt” sich Google. Sonst würdet Ihr ja das nicht nachgucken können, was ich gefunden hab. Krass.

Bevor ich das JPG verfeinere, um vielleicht doch einen Treffer zu landen, erstmal beschreibend wirken. Ich gebe das Wort “Touché” in die Suchzeile neben dem Bild oben ein. So heißt die CD und das Label. Ergebnis hier. Dann das Ganze mit dem Tag: “various artists” – auch kein Treffer, aber immerhin schon mal Coverabbildungen von Tonträgern.

Ok, also werde ich das Bild verfeinern: touche-1996-nachbau_02

Schriftformen und -größen sind nun angeglichen, ihre Proportionen der Vorlage angenähert. Das helle Oval hinter dem Titel hinzugefügt. Nach wie vor per Augenmaß. Nach wie vor werfe ich Google nur das Mini-Jpg zum Fraß vor. Testergebnis hier: immer noch nix. Mit der Beschreibung erhält man: (drei einhalb Jahre später = 2018 das Gesuchte. zurück nach 2015. Da ging die Geschichte noch ei paar Schritte weiter:)gar nix Brauchbares. Der Verdacht: ein rares Exemplar eines Bildes, das vor Beginn der massenhaften Uploadära schon wieder aus dem allgemeinen Blickfeld verschwunden war.

touche-1996-muybridgeOk, ein letzter Versuch mit nachgezeichneten & hinzugefügten Figuren, denn

– die Querstreifen auf diesem Cover lehnen sich nämlich an Filmstreifen mit Bewegungsbildern à la Eadweard Muybridge (1830-1904) an:

Diese beiden kachele ich in die Streifen rein. touche-1996-nachbau_03

Ergebnis: auch nix. Ich füge als Beschreibung dazu: “touche compilation 1″- Zack! Da ist es! Prima! Jetzt kann ich testweise dieses Originalbild mit seiner URL eingeben und weitersuchen. Aber oh Schreck: wieder.. nix! Sehr merkwürdig.

Nun versuche ich es ohne Bild nur mit den drei Begriffen “touche compilation 1″. Aha. Geht ohne Verzögerung: das Gesuchte findet sich auf http://www.discogs.com/Various-Touch%C3%A9-Compilation-1/release/98092  (%C3%A9 = é)

Da ist gar ein youtube-Clip-Mix mit einigem Audio-Inhalt eingebunden. Also könnt Ihr das auch hören, was ich gerade höre. Sogar mehr. Remixe additional. Und was lernen wir?

  • Niemand braucht mehr CDs. Alles ist verfügbar, wenn man suchen gelernt hat. Ich hab mal Radio-DJs getroffen, die ihre Sendung direkt von youtube aus zusammenstellen und senden. No kidding.
  • Urheberrecht? Ein Witz. Alle veröffentlichen alles. Und ich darf diese wunderbar schizophrene Klausulierung “mache mir den Inhalt der verlinkten Seiten nicht zu eigen” erneut hier anbringen. Stimmt. Hören/zu eigen machen müßt Ihr schon selber harhar. Ich hab meine Scheibe im Laufwerk…
  • Bezeichnungen-wissen ist Macht.
  • Heutzutage braucht man nur drei Worte, um im Netz fündig zu werden. Das. ist. neu. auf. dieser. Welt.
  • die Bildersuche für User ist noch zu verbessern. Ähnliches bleibt leider nur sehr entfernt Ähnliches. Aber Anregung liefert diese Methode ordentlich: Holzmaserungen, vergilbte Zeitungsausschnitte, künstlich Vergilbtes und – Gemasertes, Statistik und Listen  in unendlichen LayOut-Varianten, The world of Streifenmuster..

Mehr Rasterfahndung @ home (nach, äh, Fischbällchen) hier. Die klassische SETI-Suche @ home hier.

Das Gretchen an der Staffelei

Irgendwann mußte es ja so kommen: ich fertige ne Extra-Ausgabe der KrimiDeckblätter mit Fotos meiner Gemälde. Und teste damit, ob sich dieser Ausflug weg von der üblichen Fotografie in die Randgebiete der Illustration als irgendwie anregend, vielleicht sogar ergiebig erweisen mag.Schwierigkeit gleich ganz zu Beginn: Bilder zu finden, die über die gemalte Anmutung hinausweisen, also nicht sofort als bloß gemaltes Buchcover herhalten/auffallen. Durch die Pinxography-Technik einfach, jedoch mit der “Gefahr”, daß die Bilder Anklänge an Science-Fiction zum Resonieren bringen, wären sie zu stark verändert. Also ist eine Gratwanderung gefragt.

Da ich mit dem Material weitestgehend an der Stilvorlage Reingretchen, also der bloßen, unverfälschten Fotografie bleiben mag, scheiden die digital-analogen Malvorlagen ebenfalls aus. Beim ersten Besehen reichlich aussichtslos – oder fällt Euch EIN Titel ein, der zum Beispiel das da unten zu einem als Krimi erkennbaren/ interessanten Cover macht?33690009Mir nicht, auch nicht nach drei mal drüber schlafen. Außer an irgendwie mutierte alte Tapeten erinnert es mich höchstens an das fotografierte Reingretchen-Cover #95 mit dem Original, hier plus original fotografiertem Gesamtausschnitt:reingretchen-37050005Ein Lookalike Rinde der Platane nämlich, die wiederum hilflos Pate für ein weltberüchtigtes Muster gestanden hat: das Flecktarn. Mm.. Da, eine Idee: warum nicht ein Selbstgemaltes, Ähnlich-solches als kriminielles Tatmotiv verwenden? Das zwar sogleich Camouflage-Assoziationen weckt, die man aber mit einem entsprechend gewählten Titel vom Weg des geradewegs langweilig Durchschaubaren abbringen kann? Eine Herausforderung!

Aber es geht auch leichter: Fotos, die mich sofort anregen, daraus ein Buchcover zu kneten:

reingretchen33690017

Fotografie meets Malerei, hier Blendenflecken in der oberen Bildhälfte, die die Farbflecken unten als solche real, zu echten Gegenständen werden lassen und damit das Bild aus der Anmutung als Illustration befreien.

Es folgt unten diese frühe Arbeit mit der Farbbürste, schon im Entstehen als Mugshot = Fahndungsfoto getaggt. Mehr dazu lest Ihr demnächst hier.

Ebenso der “Schneesturm”, die “Polarlichter”, die bei den ersten Tests mit Farbe, Leinwand, Bürste entstanden und ich diesen Ausschnitt nur hoch-kontrastiert habe.

Drei ermutigende Ergebnisse also schon, die mich nun in gespannte Erwartung versetzen, ob sich die zu den monatlichen 16 noch fehlenden dreizehn Cover finden lassen. Erstaunlich: das folgende Foto von der sonnendurchschienenen Gemälde-Rückwand macht eine mich an alte Bibliotheken und frühe Entdeckungsfahrerbilder erinnernde Anmutung:

reingretchen-mugshot   reingretchen-torro  reingretchen-c594c-33690003Und warum zum nächsten Beispiel nicht die Leinwandstruktur mit einbeziehen? Und die Farbquadrate als Tatortspuren interpretieren? Die spezielle Austrahlung von pinselaufgebrachter Farbe aufweisen? Dann suche ich nach weiteren Fotos, auf denen das Gemalte als dreidimensionaler Gegenstand erkenntlich ist. Und stoße auf einiges Material der letzten drei Monate:

reingretchen-c589c-  reingretchen-c592c-33690027   reingretchen-c593c-33690032reingretchen-c590c-helldunk   reingretchen-c591c-33690013   reingretchen-c600c-31260011

Und hier ist vielleicht doch noch ein Bildausschnitt des großen “Negativ”-Vorbildes von ganz oben, das mir die Phantasie anschubst, um daraus ein KrimiCover zu gestalten. Die als Abschlußarbeit aufgebrachte “überfliegende” weiße Linie schwächt den anfänglichen  Tarneindruck nun doch in beruhigenden Ausmaßen. Und gibt Raum für eine neue Ideenverkettung. Kartografie meets Applikation.. Bin mal gespannt, was dazu angeflogen kommt in den nächsten Tagen..

reingretchen-c595c-33690001    reingretchen-c602c-20550003

Auch gemalte Linien eignen sich für eine kriminelle Verwendung, sehe ich gerade:reingretchen-c596c-33070024   reingretchen-c597c-30990019   reingretchen-c601c-26120033

Und zu guter letzt – war doch einfacher und anregender, als ich anfangs dachte! darf doch ein Gemäldethema ins Kriminelle kippen: ein flüchtiger Blick auf mein erstes Bild mit farbigem Übergang im (Angemischt-)Werden:

reingretchen-c599c-31270013

Hier unten zum Großklicken hab ich sie alle mal montiert und kann mir bis MonatsErsten, wenn die nächsten Cover fällig werden, Titel überlegen, da fehlen ja noch ein Dutzend von..

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Musik beim Schreiben heute:

Lisa Stansfield: “Affection”, BMG, 1989

Yoshinori Sunahara “The Sound Of The 70s”, Ki/oon Sony, 1999

Visit Venus: “The Endless Bummer”, Yo Mama, 1999

Grace Jones: “Private Life -The Compass Point Sessions”, Island, comp. 1998

Joe Cocker: “Sheffield Steel”, Island 1982

Guten Morgen, Sie wünschten, geweckt zu werden

Überraschenderweise auf einer Queen-CD & da auf deutsch habe ich diesen Satz wiederentdeckt! Heute, 33 Jahre nach Erscheinen der Scheibe ist er ein Relikt aus der Prähändyzeit: der telefonische Weckdienst, den man sich ebenfalls “fernmündlich” für einen gewünschten Zeitpunkt bestellen konnte.

Und geweckt worden bin auch ich. Erst kürzlich vom Phänomen digitale-Bilder-und-Datenverarbeitung in Form eines neumodischen kulturellen Dings namens iconosquare. Und geweckt wovon? Na, vom Schlaf des Eingefahrenen.

Da wurde ich eines neuen, lässigen Lifestyles gewahr, ebensolch beiläufige Fotos zu machen, sie ins Netz zu laden, sie mit Aufklebern (hashtags) zu versehen, die die Online-Datenbank dann immer neu denen anzeigt, die per Mausklick dieses dadurch gekennzeichnete Thema aufrufen. Fotos als Anlaß zu Kommunikation und Vernetzung. Es geht um Anregung, um Zeigen, Präsentieren, Wahrgenommen- und Gemochtwerden. Erstmal.

Da bin ich zwar nicht aktiv dabei, schaue aber gerne regelmäßig vorbei und finde diese Art, lose Bedingungen in Form von thematischen Vorgaben und dadurch provozierte Likes und Kommentare zu modern-sozialen Zwecken zu nutzen, sehr anregend. Als Kulturtechnik(übung) der Zukunft. Ebenso die Art der Bilder, die auf diese Weise zusammenkommen – jeden Tag ein paar mehr. Plätze, Sonnenbilder und Himmelsstimmungen, Schaufenster, Essen, Schilder, Graffiti, Freunde, Partyreste, Essen, alles ortsgebunden. Tägliche (fotografische) Anregungen, die eigene Stadt betreffend, frei haus.

Und im kreativen Sinn anregend ist es überdies: ich hab mich von diesen immerfort quadratischen Bildern zu einem eigenen Design mit Bild-Quadraten anregen lassen. So schaffen es auch Bilder hierher, die mit dem drübergelegten “Passepartout” zu mehr werden als der Summe der Teile.

20580023mannheimgram   29540017mannheimgram   26130028mannheimgram   26140004mannheimgram   27270014mannheimgram   27270034mannheimgram   29510001mannheimgram   29520002mannheimgram   29530026mannheimgram

Quasi ein Ausschlenkern von meinem nun im achten Jahr andauernden Postkarten-von-Mannheim-und-Ludwigshafen-Projekt, bei dem der Fokus sachdienlicherweise auf “Einzelkämpfern” liegt: jedes Bild als solches, einzelnes muß “gewinnen”. Das kann ab und an allzu einschränkend bei der Hirnfreiheit zur allgemeinen Motivwahl beim Fotografieren werden. Das Prinzip Hashtag hat mich da “geweckert” und ich versuche, meinen ästhetischen Filter davon positiv beeinflussen zu lassen.

Und so kriegt Ihr mal meine “Frühwerke” in dieser frisch eröffneten personal Liga hier zu sehen:

26100021mannheimgram   29540006mannheimgram   26120014mannheimgram

Zu schade, sie wegzusperren, finde ich. Außerdem gabs da schon mal nen ersten Schwung. Heute also Teil zwei, vier Aufnahmen davon keine Owche alt. Plus plus: ich bekomme auf diese Weise eine neue Spielwiese geliefert und kann Euch (hauptsächlich) Mannheim  zeigen, wie es mich fotografisch anders/weiters fasziniert ;-)

Danke, #Mannheimgram!

Instagram Goes Fashion – Nachtrag/Lesetipp auf der zeit.de vom 22. März: «Aus Kleidern sind Bilder geworden, die online gezeigt, kommentiert und geteilt werden. Was so wenig spektakulär klingt, ist dabei, die Modebranche nachhaltig zu verändern.»

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Musik beim Schreiben heute:

various artists: “The White Room”, SONY, 2004

Original Soundtrack: “The Pink Panther – Music From The Film Score Composed And Conducted By Henry Mancini”, BGM, 1963

Queen: “Hot Space”, Parlophone, 1982

Der Poodle an der Gabelung der Löffel

Ein Tag vor Nikolausi zweitausendvierzehn. Ich bin bei Artjom eingeladen. Österreichisches Bier aus Dosen in drei Farben, eigenhändig zu Partyzwecken importiert ;-) “Dann machen wir mal ein Bild von Dir!” sagt er irgendwann und wir treppen hinab in seine Werkstatt. Atelier kann man natürlich auch dazu sagen, aber aufgrund der mannigfachen mechanischen und chemischen Notwendigkeiten darin würde ich diese Bezeichnung zu gleichen Teilen mit “Labor” und “Werkstatt” mischen. Am hinteren Ende stilbewußt ein alter antiquer Stuhl. Er platziert mich auf diese mit gedrechselter Lehne und royaler Polsterung ausgestattete Sitzgelegenheit, rückt seine riesigen Lichtquellen näher, prüft auf der Mattscheibe die Lage, beginnt mit der Beleuchtungseinrichtung.

Eigentlich höchste Zeit für ein aktuelles Bild – das bisherige hat online zehn Jahre seinen Dienst getan -da verändert man sich zwischenzeitlich schon, doch doch ;-) . Und eine neue Aufnahme, dazu noch wow – eine Ambrotypie, ist die Gelegenheit, neue Ufer anzusteuern und dazu… alte Requisiten unterzubringen. Meine lebens-einzige Designersonnenbrille nämlich. Die hab ich mir irgendwann brandneu und topaktuell Anfang der Neunziger Jahre angeschafft. Und später still in eine Kiste geräumt. Diese ganze 80er-Stylerei hat mich irgendwann, recht spät doch noch, aber irgendwie nur halbherzig gepackt. Und Brillen sind da ja ganz vorne mit dabei, beim Stylen. Da wenigstens kann ich dabei sein, dachte ich. Aber für den praktischen Gebrauch schwierig einzurichten, wie ich feststellte als frischgebackener Besitzer: man sieht zwar schnittiger aus, aber in halbdunklen Party/DiscoRäumen cool gegen die Pfeiler zu laufen.. naja, da bin ich anders gelagert..

Aber los: Lichtquellen nun zuhauf rings um den Stuhl, auf dem ich platziert bin – die selbstgefertigte Emulsion hat 0,2 ASA Lichtempfindlichkeit, da muß für eine korrekte Belichtung ordentlich Butter bei die Fische erzählt Artjom. Pluspunkt für die Brille yeah. Stillsitzen, partiell hin- und hergerückt werden, Arm da, Hand dort, Kopf leicht nach rechts – die Brille spiegelt unerwünschterweise, wenn man keine Acht drauf hat…dann Klappe auf, Deckel ab und… 10 Sekunden stillhalten. Dann sagt Artjom: “Kannst wieder ausatmen” ;-)

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Das hier links ist der Blick auf die “Arbeitsfläche”. Die steht senkrecht, heißt Mattscheibe und zeigt, den Gesetzen der Lichtbrechung durch Linsen gemäß die dahinterliegende Szenerei kopfüber und in Seitenverkehrung. Also hängen die Stühle von der Decke und die Halterung für den Kopf des Models befindet sich noch weiter im unteren Bildbereich. Wie man hier gut erkennen kann, handelt es sich um zwei mit den Rücken aneinandergeschraubte Eßlöffel. Das hat mich a) sehr erheitert und dann zum heutigen Titel inspiriert.

Gut geworden! Danke, Herr Uffelmann!

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Musik beim Schreiben heute:

Steely Dan: “Then And Now – The Best Of Steely Dan”, MCA Records, compiled 1993

Mugshot Pain(t)brush

“Alles, was Du Dir wünscht und planst soll im Neuen Jahr in Erfüllung gehen” So mögen die klassischen Neujahrs- oder Geburtstagswünsche lauten, gegen die man nichts auszusetzen haben kann. Ich jedoch begnüge mich schon mit der halben Strecke will heißen: ich fange “nur” an zu wünschen und lasse dann laufen, ohne dann allerdings abzufallen. Und bin im Gegenteil wie crazy gespannt darauf, was sich aus zusammengesponnenen Anfangsbedingungen plus Wachsein ergibt. Wie heute, als ich einen zweiten Anlauf der groben Art nahm und nichts verdünnte, nicht sorgsam um jede Stelle der zu bearbeitenden Fläche “gleichmäßig dachte” wie beim Putzen, sondern die schwarze Essenz direkt irgendwohin und dann mit der berühmten Bürste auf der Leinwand flachschlug nach allen intuitiven Richtungen.the_face_pinxographyDas “Gesicht” tauchte dann entsprechend erst beim Scannen=Besehen auf, als ich erst die interessantesten, ausdrucksstärksten Stellen übers Scanfenster platzierte und just diese obere Mitte der Leinwand dazu nahm. Und dann die Vorschau ansah.Jetzt, beim Schreiben fällt mir ein, daß ich gestern (!) nicht bloß einige mit beigelegter CD beschriebene Max-BeckmannGemälde betrachtet habe – die glänzen ja nicht gerade durch feine Ziselierung – sondern auch ein youtube Musikclip mit Close-Ups aus Danny Trejo-Filmen.. Und beides über nacht sacken lassen ließe das frisch Fertiggestellte durchaus als intuitives Echo erscheinen. Und- ach ja: in einem großartigen, an den Beckmannschen Leinwänden entlangschnüffelnden Film war ich ja auch letztes Jahr…

DAS hätte ich zu aller Letzt gedacht, daß sich mit dieser mindless technique irgendwas Gegenständliches zuwege bringen ließe, aber anscheinend doch und nicht nur das: dieses “aufgetauchte” Porträt erzeugt nun neue Ideenströme als direkte Nachfolge: Was, wenn man es nun darauf anlegen würde, Gesichter mit a) besagter Handwaschbürste und b) ohne Verdünnung anfertigen zu wollen? So als die beiden neuen Versuchsbedingungen.

Allein diese Idee ließ mich das Entstandene näher, analytischer betrachten. Augen, Haare, Nase, Mund und GesichtsOval. Schon ganz schön grob, wild, verkrampft und düster, wie ein… mugshot=Fahndungsfoto..

Mm – da könnte man mal echt testen und da macht es auch g.a.r. nichts, daß das was Ihr da oben seht, “nur” ein Fünftel der Leinwandfläche besetzt. Abschneiden und um-rahmen geht ja immer, aber auf neue Ideen kommen..  ;-)

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Musik beim Schreiben heute:

various artists: “MTV´S AMP“, Caroline Records, 1997

Guten Hashtag, Mannheim!

 «Das Abbild selbst markiert keine kulturelle Leistung mehr, es kann nur noch ein Teil des Kommunikationswegs sein.»

Klingt wie ne gaanz schön abwertende, destruktive, nihilistische Nachricht für jegliches Fotografenwerk, was der Herr Prof. Dr. S. da als (2015 jäh vom Netz genommene) Anmerkung zu Frederic Buschs Drag-Galerie beiträgt. Da bleibt dem schwer und jahrelang an seinen skills arbeitenden Fotografen nur die Zornesröte zu Gesicht & der Gedanke Pfui and double Pfui! ;-)

Angesichts der atemlos hochbrandenden Bilderzahl im Netz kann dieses Statement jedoch sehr wohl einer näheren Betrachtung wert sein, denn wir erleben da einen historischen Übergang: “markierte” Bilder dienen heutzutage – als zweitauffälligste Eigenschaft nach dem Werksgenuß –  der Verknüpfung von Personen, sind Anlaß und Ausgangspunkt für Kommunikation. Mein Beispiel:

Über den Instagram-Account von Christian hab ich ihn eben entdeckt, den https://www.instagram.com/mannheimgram/

Und diese Seite wirkt mir wie ne “Stadt(ein)führung” der Zukunft. Diese mischt sich quasi aus den offengelegten Foto-Tagebüchern ganzer Teilnehmergruppen, ist dynamisch (das heißt: wird ständig erweitert/verändert/kommentiert), NATÜRLICH mit dem mobile geknipst und befindet sich ebenso natürlich.. im Internet.

Das Ganze heute hängt an der “Erfindung” des sogenannten Hashtags. Ich stell mir die Wirkungskette so vor: es gibt a) www-vernetzte Personal Computer, dann b) digitalisierte Bilder, denen mithilfe dieser Hashtag-Erfindung eine inhaltliche Bedeutung angeheftet wird. Diese beigefügte Eigenschaft (das Tag) kann mithilfe von Programmierung gesammelt & online appetitlich dargestellt werden. Voilá: die vom Mutterschiff facebook entwickelte Instagram-App iconosquare.

03660001mannheimgram   03660032mannheimgram   09600028mannheimgram 22090012mannheimgram   53780021mannheimgram   50240025mannheimgram    67830001mannheimgram   67810031mannheimgram   72020019mannheimgram

Meine kleine, schnell zusammengeraffte Icon-o-quadratische Mannheim-Galerie. Selbstgefundenes Design-Rezept: unbeschnittene Hochkantbilder mit nem überlagernden “Passepartout”, der immer gleich groß & genau mittig platziert wird. Auswahlkriterium: alle Bilder müssen durchs Quadrat gewinnen ..Coole, wenn auch vorsätzlich/schlampig mißverstandene Inspiration – denn iconosquare meint ja hier eher: Platz ;-)

Dieser spezielle Blickwinkel auf den “Gebrauch” von Internetbildern aus statistischer Sicht auf den “Zustand” des persönlichen Accounts bekommt vom frisch gefundenen iconosquare.com/instagram-statistics ein weiteres stichhaltiges Argument für obiges skandalöses Zitat. Führt Euch zum erhellenden Beispiel, was da alles an einsehbarer Statistik geht für power user mal die untige Listung der Features/Vorteile ebenda zu Gemüte.

Diese, nebenbei bemerkt, nach unpathetisch deutsch rüberzubringen, finde ich gar nicht so einfach. Zu viele Aglismen, deren Ballung typisch für den Themenkreis Internet ist, zeigt mal wieder deutlich die Vorreiterstellung der englischsprachigen Welt. Zum Beispiel der berühmte follower = Ein (Ver)folger? Jünger? Interessent? Abonnent? Beobachter? Fan? publikum singularis? Mmh.. von allem ein bißchen, eine im Deutschen multiple gespaltene Persönlichkeit ;-)

Growth monitoring (Wachstumsbeobachtungen)

  • follower growth charts, monthly and overall
  • daily follower gain and loss
  • and who are your new and lost followers

Community insights (Erkenne Deine.. Gemeinde ;-) )

  • reciprocal relationships and followings who don’t follow you back
  • ratio of followers/followings in your community
  • followers most engaged recently

Account history (Wie Du wurdest, was Du heute bist)

  • amount of media posted month by month
  • likes and comments recieved, by month or by week
  • and evolution of the average number of likes and comments

Optimization tips (Statistikwissen ist Macht)

  • best time to post to get most engagement
  • how filters impacts likes and comments received

 

* Mein Lieblings-Zitat aus Ziltoid, The Omniscient ;-)

Serendip des Tages, Teil II:

Das hand(y)gemachte Daumenkino is back!

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Musik beim Schreiben heute:

Nightmares On Wax: “A Word Of Science”, WARP, 1991

Die Kunst baut überall eine Heimat. Die steigt anschließend im Preis. Dann darf die Kunst woanders weiterbauen.

“Ein Kulturspaziergang”, “Ein Erlebnis”. So oder ähnlich bewerben hierzulande die Kulturverwerter™ und Standortprofilschärfer gerne Aktionen der standardmäßig als “die Kreativen” oder “Kreative Szene” betitelten Protagonisten der Stadt: lange Nachmittage, vorzugsweise gegen Wochenende hin, an denen “ihr” Stadtteil in aller wohnlichen/ inspirativen Atmosphäre erstrahlt. Introtenor: “Dutzende von Künstlern und Musikschaffenden öffnen ihre Ateliers, Studios und Hinterhöfe, damit…”..die brennend interessierten Immobilienmakler/Investorenagenten kostenlos und unauffällig das schön Hergerichtete in Augenschein nehmen können, ein paar unbezahlbare Innenhofbilder mit grandiosen, blumenbekränzten Balkonatmos, zünftig-rustikal dekorierten Bierbankgarnituren und/oder selbstgemachten Exponaten mit gutgelaunten Menschen darum aufnehmen können. Und den Fang anschließend neu bewerten/raten: mit diesen wohlfeilen Fotos/Infos wird dann ein neues Ziel ins Visier genommen.

Denn Gemütlichkeit, Einzigartigkeit und Attraktivität in der Ausformung des persönlichen Lebensraumes als Antwort auf ein verständliches Begehren, irgendwo zu wohnen, wo man auch im besten Sinne leben will, schaffen hier Menschen, die dafür einen Sinn haben. Einen Sinn, aus einem gesichtslosen, technischen Irgendwo einen Ort zu machen, eine Lokation zu zaubern, einen Treffpunkt, an dem erstrebte Existenz  – meistens nach Feierabend – stattfindet. Das geht am idealsten im Privaten, Unkommerziellen. Denn an unsere Arbeit stellen wir ja anders geartete Anforderungen, sie findet nach wie vor ja auch anderswo statt: in den Bürocontainern oder -hochhäusern, Fabriken, Shopping Malls oder, modern: im Großmarkt oder Fulfillment-Center auf der grünen Wiese, umtost von Informations-, Anforderungs- und E-Mail-Flut.

Und den vorgefertigten (Geschmacks)Standard der Industrielandbewohnermarken möchten wir in dieser Sendestärke bitte nicht auch noch zum Feierabend haben. Da bitte mehr Eigenes, Unverwechselbares.

Diese Art der “Lebensraumerschließung” ist ja nicht per se abzulehnen, ich frage mich allerdings angesichts der nicht abflauenden Gentrifizierungsdebattenkämpfe, die ohnmächtig in den betroffenen Stadtteilen toben, ob die “Kreativen”sich DIESES DIREKTEN Zusammenhangs bewußt sind.

Schauen wir in den unbeteiligten, lediglich “berichtenden” Mannheimer Morgen vom 20.07.2012 :

Vier Treppen hochging es zur vietnamesischen Fotokünstlerin Lys: Ihr kleines Wohnatelier hielt tapfer dem Besucheransturm Stand. Alexa G., die einen der kreativen “Lili Hüte” spazieren trug, schwärmte: “So viele Künstler wie hier gibt es in keinem anderen Stadtteil von Mannheim, dazu die schönen alten Häuser, das ist eine Atmosphäre, einfach wunderschön”.

Alte Häuser und neu erzeugte Atmosphäre: kann und darf da Kunst und Kreativitätsdrang weiterhin nur verschönern bezaubern und Besucher in schwammigen Sinn “inspirieren”, wenn sich die Künstler/Schöpfer dieser ihrer für angelockte Dritte nützlichen Idiotie gewahr werden? Sich plötzlich des Zynismus´ bewußt werden, den der Begriff  “Kulturverwertung” auch besetzen kann? Jäh verstehen, wie Aufwertung ihres Lebensraumes von Immobilien, damit zusammenhängende märchenhafte Gewinnmargen und ihre eigene unschuldige Lust an der Kreation, am Schönmachen und Neues kreieren zusammenhängen? Muß die Kunst nicht genau da drauf reagieren? Und politisch werden?

Damit im Zusammenhang: Sein Lieblingscafé im Internet loben – DARF MAN DAS?  – oder die etwas andere Sicht auf diese Dinge bietet der immobilien-kompass.capital.de

Bis ich das alte Tagesabreißkalenderblatt wiedergefunden hab, von dem der Anfang der heutigen Überschrift stammt, hab ich als Ersatz das da in memoriam gebastelt:die_kunst_baut_ueberall_1

Spannend, sich mal vorzustellen, wie der gute Alte das wohl gemeint haben mag, denn damals gabs noch nicht, was in “meine” Bedeutung hier&heute mit einfließt: Industrialisierung, elektronische Medien, Investorengruppen, Marketingexperten, Individualismus, Gentrifizierung, Turbokapitalismus und last b.n. least: die Fotografie..

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Musik beim Schreiben heute:

Kimbra: “Vows”, Warner, 2012

Hamel: “Nobody´s Tune”, Dox Records, 2009

Randy Newman: “Little Criminals”, Warner, 1977

Terence Trent d´Arby: “Introducing The Hardline According To..”,  CBS, 1987