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Das wahre Bild – mal wieder nebenbei geschossen.

Und immer wieder dasselbe: ich radle los, etwas Bestimmtes, Mannheim Typisches zu fotografieren, komme heim mit gefühlt reichlich Material. Aber das, was ich optimal fürs Auge wollte, der Grund der Tour ins Industriegelände – Fehlanzeige. Oder wie schrieb ich leicht enttäuscht inner Mail an die Freunde: leider kein PostkartenAward dabei (frowney).

Ja, richtig gelesen: Postkarten. Ich bin wieder fotografisch unterwegs, denn, es wird niemanden wundern nach all dem manischen Malen und Färben der vergangenen 300 Tage, wächst mir so langsam die Lust auf Nachschub für mein Postkartenprojekt. 50 Motive sind tatsächlich schon geschafft, nächstes Jahr dräut das zehnjährige “Betriebsjubiläum” – Uaargh! – da ist dringendst ne Verjüngungskur anzuträumen ;-)

Später daheim, beim erneuten Sichten bemerke ich im Stapel ..das wahre Bild. Mal wieder wie oft und vor Jahren nebenbei geschossen ts ts. So auch am 4. dieses aprilllenen Monats. Man kreist sein gewähltes Fotothema ja immer ein vorort. Mental und in echter Fußarbeit. Macht Serien mit anderen Ausschnitten, leicht veränderten Stand- und Blickpunkten. Und mahnt sich selber angesichts des fliehenden Augenblicks, dieses ätherischen Lichts, das ja im launigen Frühlingswetter keine zehn Sekunden haltbar sein muß, zur Öffnung der Sinne. Also auch zum Shooten des “Wegesrands”.

Der birgt wie schon oft – eigentlich fast durchweg meine Erfahrung – die persönliche Sensation des Tages. Und aus dieser schneide ich grad das neue Outfit Kleid des Frühlingspudels:

Ein WahnsinnsGeschenk, dieser prächtige Vordergrund! Das bemerkte ich schon vorort und geriet in eine eigentlich nur der Sportfotografie bekannten Hektik. Wunderbar: dieses  farbige Nebeneinander von Industrie “hinne” + Romantik “vonne”. Dieses im wilden Balancieren begriffene warmkalte Licht! Großartig!  Wat will ick mehr!

Anschließend dann natürlich dank des reichlichen Materials die stets mitgelieferte Qual der Wahl. Hier Abteilung Menuekarte. Es gab drei ähnliche Aufnahmen in der Serie. Also mußte eins der anderen her. Was meint Ihr?
start-11250036pfv5 start-11250036pfv4 start-11250036pfv3 start-11250036pfv2 start-11250036pfv1 start-11250036-minikitpfDas letze Bild unten rechts hat es dann ins Menü geschafft. Bei den anderen war mir zuviel Luft. Hier oben in Visitenkartengröße auf 300 Pixellänge sieht das natürlich anders aus. Da wäre meine Wahl zwischen den oberen beiden fällig worden. Aber auf 1111 Pixel? Da hat man ja Fläche, kann “was erzählen” ;-) Und dem Startbild ganz oben ist es auch zum Erinnern ähnlich..

PS.: paßt von Thema/Stimmung – fällt mir grad ein – super zu dieser (allerdings Winter-) StartbildCollage vom Winter vor vier Jahren:

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Musik beim Schreiben und Editieren heute:

Chicane: “Behind The Sun”, Xtravaganza, 2000

Lee Ritenour: “Wes Bound”, GRP , 1993

Fonosandwich: “Fonosandwich”, Rather Interesting, 1997

die Grafen des Tages

Nicht, daß die Fotografie nun abgemeldet wäre auf dieser Seite. Nein, nein, sie ist da. Grad “erklickt” per Bildersuche auf www.lenscratch.com (1. & 3.) bzw. munchies.vice.com (2.):

  1. Fred Lyon (*1924) grandiose Retro-San Francisco-Fotos auf slate.com
  2. Michael Massaias interessanter Mix aus a) schwach beleuchteten, farbfreien Gegend- und Gefährten und b) gruselig-lustig bunt meltenden Eis und Kaugummis.
  3. Hunde ziehen Leuchtspuren auf dem Nachtgassigang mit JT Blatty und verwandeln Gewohntes in Neues.

Meine  Leuchtspuren des Tages indes sehen kameralos so aus:

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und schwarzweiß “Aufnahmen” hätte ich auch:

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Nur bei Fotos aus San Francisco der 40er-60er Jahre muß ich passen ;-)

Guten Morgen, Sie wünschten, geweckt zu werden

Überraschenderweise auf einer Queen-CD & da auf deutsch habe ich diesen Satz wiederentdeckt! Heute, 33 Jahre nach Erscheinen der Scheibe ist er ein Relikt aus der Prähändyzeit: der telefonische Weckdienst, den man sich ebenfalls “fernmündlich” für einen gewünschten Zeitpunkt bestellen konnte.

Und geweckt worden bin auch ich. Erst kürzlich vom Phänomen digitale-Bilder-und-Datenverarbeitung in Form eines neumodischen kulturellen Dings namens iconosquare. Und geweckt wovon? Na, vom Schlaf des Eingefahrenen.

Da wurde ich eines neuen, lässigen Lifestyles gewahr, ebensolch beiläufige Fotos zu machen, sie ins Netz zu laden, sie mit Aufklebern (hashtags) zu versehen, die die Online-Datenbank dann immer neu denen anzeigt, die per Mausklick dieses dadurch gekennzeichnete Thema aufrufen. Fotos als Anlaß zu Kommunikation und Vernetzung. Es geht um Anregung, um Zeigen, Präsentieren, Wahrgenommen- und Gemochtwerden. Erstmal.

Da bin ich zwar nicht aktiv dabei, schaue aber gerne regelmäßig vorbei und finde diese Art, lose Bedingungen in Form von thematischen Vorgaben und dadurch provozierte Likes und Kommentare zu modern-sozialen Zwecken zu nutzen, sehr anregend. Als Kulturtechnik(übung) der Zukunft. Ebenso die Art der Bilder, die auf diese Weise zusammenkommen – jeden Tag ein paar mehr. Plätze, Sonnenbilder und Himmelsstimmungen, Schaufenster, Essen, Schilder, Graffiti, Freunde, Partyreste, Essen, alles ortsgebunden. Tägliche (fotografische) Anregungen, die eigene Stadt betreffend, frei haus.

Und im kreativen Sinn anregend ist es überdies: ich hab mich von diesen immerfort quadratischen Bildern zu einem eigenen Design mit Bild-Quadraten anregen lassen. So schaffen es auch Bilder hierher, die mit dem drübergelegten “Passepartout” zu mehr werden als der Summe der Teile.

20580023mannheimgram   29540017mannheimgram   26130028mannheimgram   26140004mannheimgram   27270014mannheimgram   27270034mannheimgram   29510001mannheimgram   29520002mannheimgram   29530026mannheimgram

Quasi ein Ausschlenkern von meinem nun im achten Jahr andauernden Postkarten-von-Mannheim-und-Ludwigshafen-Projekt, bei dem der Fokus sachdienlicherweise auf “Einzelkämpfern” liegt: jedes Bild als solches, einzelnes muß “gewinnen”. Das kann ab und an allzu einschränkend bei der Hirnfreiheit zur allgemeinen Motivwahl beim Fotografieren werden. Das Prinzip Hashtag hat mich da “geweckert” und ich versuche, meinen ästhetischen Filter davon positiv beeinflussen zu lassen.

Und so kriegt Ihr mal meine “Frühwerke” in dieser frisch eröffneten personal Liga hier zu sehen:

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Zu schade, sie wegzusperren, finde ich. Außerdem gabs da schon mal nen ersten Schwung. Heute also Teil zwei, vier Aufnahmen davon keine Owche alt. Plus plus: ich bekomme auf diese Weise eine neue Spielwiese geliefert und kann Euch (hauptsächlich) Mannheim  zeigen, wie es mich fotografisch anders/weiters fasziniert ;-)

Danke, #Mannheimgram!

Instagram Goes Fashion – Nachtrag/Lesetipp auf der zeit.de vom 22. März: «Aus Kleidern sind Bilder geworden, die online gezeigt, kommentiert und geteilt werden. Was so wenig spektakulär klingt, ist dabei, die Modebranche nachhaltig zu verändern.»

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Musik beim Schreiben heute:

various artists: “The White Room”, SONY, 2004

Original Soundtrack: “The Pink Panther – Music From The Film Score Composed And Conducted By Henry Mancini”, BGM, 1963

Queen: “Hot Space”, Parlophone, 1982

Der Poodle an der Gabelung der Löffel

Ein Tag vor Nikolausi zweitausendvierzehn. Ich bin bei Artjom eingeladen. Österreichisches Bier aus Dosen in drei Farben, eigenhändig zu Partyzwecken importiert ;-) “Dann machen wir mal ein Bild von Dir!” sagt er irgendwann und wir treppen hinab in seine Werkstatt. Atelier kann man natürlich auch dazu sagen, aber aufgrund der mannigfachen mechanischen und chemischen Notwendigkeiten darin würde ich diese Bezeichnung zu gleichen Teilen mit “Labor” und “Werkstatt” mischen. Am hinteren Ende stilbewußt ein alter antiquer Stuhl. Er platziert mich auf diese mit gedrechselter Lehne und royaler Polsterung ausgestattete Sitzgelegenheit, rückt seine riesigen Lichtquellen näher, prüft auf der Mattscheibe die Lage, beginnt mit der Beleuchtungseinrichtung.

Eigentlich höchste Zeit für ein aktuelles Bild – das bisherige hat online zehn Jahre seinen Dienst getan -da verändert man sich zwischenzeitlich schon, doch doch ;-) . Und eine neue Aufnahme, dazu noch wow – eine Ambrotypie, ist die Gelegenheit, neue Ufer anzusteuern und dazu… alte Requisiten unterzubringen. Meine lebens-einzige Designersonnenbrille nämlich. Die hab ich mir irgendwann brandneu und topaktuell Anfang der Neunziger Jahre angeschafft. Und später still in eine Kiste geräumt. Diese ganze 80er-Stylerei hat mich irgendwann, recht spät doch noch, aber irgendwie nur halbherzig gepackt. Und Brillen sind da ja ganz vorne mit dabei, beim Stylen. Da wenigstens kann ich dabei sein, dachte ich. Aber für den praktischen Gebrauch schwierig einzurichten, wie ich feststellte als frischgebackener Besitzer: man sieht zwar schnittiger aus, aber in halbdunklen Party/DiscoRäumen cool gegen die Pfeiler zu laufen.. naja, da bin ich anders gelagert..

Aber los: Lichtquellen nun zuhauf rings um den Stuhl, auf dem ich platziert bin – die selbstgefertigte Emulsion hat 0,2 ASA Lichtempfindlichkeit, da muß für eine korrekte Belichtung ordentlich Butter bei die Fische erzählt Artjom. Pluspunkt für die Brille yeah. Stillsitzen, partiell hin- und hergerückt werden, Arm da, Hand dort, Kopf leicht nach rechts – die Brille spiegelt unerwünschterweise, wenn man keine Acht drauf hat…dann Klappe auf, Deckel ab und… 10 Sekunden stillhalten. Dann sagt Artjom: “Kannst wieder ausatmen” ;-)

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Das hier links ist der Blick auf die “Arbeitsfläche”. Die steht senkrecht, heißt Mattscheibe und zeigt, den Gesetzen der Lichtbrechung durch Linsen gemäß die dahinterliegende Szenerei kopfüber und in Seitenverkehrung. Also hängen die Stühle von der Decke und die Halterung für den Kopf des Models befindet sich noch weiter im unteren Bildbereich. Wie man hier gut erkennen kann, handelt es sich um zwei mit den Rücken aneinandergeschraubte Eßlöffel. Das hat mich a) sehr erheitert und dann zum heutigen Titel inspiriert.

Gut geworden! Danke, Herr Uffelmann!

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Musik beim Schreiben heute:

Steely Dan: “Then And Now – The Best Of Steely Dan”, MCA Records, compiled 1993

Guten Hashtag, Mannheim!

 «Das Abbild selbst markiert keine kulturelle Leistung mehr, es kann nur noch ein Teil des Kommunikationswegs sein.»

Klingt wie ne gaanz schön abwertende, destruktive, nihilistische Nachricht für jegliches Fotografenwerk, was der Herr Prof. Dr. S. da als (2015 jäh vom Netz genommene) Anmerkung zu Frederic Buschs Drag-Galerie beiträgt. Da bleibt dem schwer und jahrelang an seinen skills arbeitenden Fotografen nur die Zornesröte zu Gesicht & der Gedanke Pfui and double Pfui! ;-)

Angesichts der atemlos hochbrandenden Bilderzahl im Netz kann dieses Statement jedoch sehr wohl einer näheren Betrachtung wert sein, denn wir erleben da einen historischen Übergang: “markierte” Bilder dienen heutzutage – als zweitauffälligste Eigenschaft nach dem Werksgenuß –  der Verknüpfung von Personen, sind Anlaß und Ausgangspunkt für Kommunikation. Mein Beispiel:

Über den Instagram-Account von Christian hab ich ihn eben entdeckt, den https://www.instagram.com/mannheimgram/

Und diese Seite wirkt mir wie ne “Stadt(ein)führung” der Zukunft. Diese mischt sich quasi aus den offengelegten Foto-Tagebüchern ganzer Teilnehmergruppen, ist dynamisch (das heißt: wird ständig erweitert/verändert/kommentiert), NATÜRLICH mit dem mobile geknipst und befindet sich ebenso natürlich.. im Internet.

Das Ganze heute hängt an der “Erfindung” des sogenannten Hashtags. Ich stell mir die Wirkungskette so vor: es gibt a) www-vernetzte Personal Computer, dann b) digitalisierte Bilder, denen mithilfe dieser Hashtag-Erfindung eine inhaltliche Bedeutung angeheftet wird. Diese beigefügte Eigenschaft (das Tag) kann mithilfe von Programmierung gesammelt & online appetitlich dargestellt werden. Voilá: die vom Mutterschiff facebook entwickelte Instagram-App iconosquare.

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Meine kleine, schnell zusammengeraffte Icon-o-quadratische Mannheim-Galerie. Selbstgefundenes Design-Rezept: unbeschnittene Hochkantbilder mit nem überlagernden “Passepartout”, der immer gleich groß & genau mittig platziert wird. Auswahlkriterium: alle Bilder müssen durchs Quadrat gewinnen ..Coole, wenn auch vorsätzlich/schlampig mißverstandene Inspiration – denn iconosquare meint ja hier eher: Platz ;-)

Dieser spezielle Blickwinkel auf den “Gebrauch” von Internetbildern aus statistischer Sicht auf den “Zustand” des persönlichen Accounts bekommt vom frisch gefundenen iconosquare.com/instagram-statistics ein weiteres stichhaltiges Argument für obiges skandalöses Zitat. Führt Euch zum erhellenden Beispiel, was da alles an einsehbarer Statistik geht für power user mal die untige Listung der Features/Vorteile ebenda zu Gemüte.

Diese, nebenbei bemerkt, nach unpathetisch deutsch rüberzubringen, finde ich gar nicht so einfach. Zu viele Aglismen, deren Ballung typisch für den Themenkreis Internet ist, zeigt mal wieder deutlich die Vorreiterstellung der englischsprachigen Welt. Zum Beispiel der berühmte follower = Ein (Ver)folger? Jünger? Interessent? Abonnent? Beobachter? Fan? publikum singularis? Mmh.. von allem ein bißchen, eine im Deutschen multiple gespaltene Persönlichkeit ;-)

Growth monitoring (Wachstumsbeobachtungen)

  • follower growth charts, monthly and overall
  • daily follower gain and loss
  • and who are your new and lost followers

Community insights (Erkenne Deine.. Gemeinde ;-) )

  • reciprocal relationships and followings who don’t follow you back
  • ratio of followers/followings in your community
  • followers most engaged recently

Account history (Wie Du wurdest, was Du heute bist)

  • amount of media posted month by month
  • likes and comments recieved, by month or by week
  • and evolution of the average number of likes and comments

Optimization tips (Statistikwissen ist Macht)

  • best time to post to get most engagement
  • how filters impacts likes and comments received

 

* Mein Lieblings-Zitat aus Ziltoid, The Omniscient ;-)

Serendip des Tages, Teil II:

Das hand(y)gemachte Daumenkino is back!

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Musik beim Schreiben heute:

Nightmares On Wax: “A Word Of Science”, WARP, 1991

Spatz und Hund und Chinastrolch in liebevolle Hände abzugeben

Hätte ich echt nicht gedacht. Daß diese beiden kleinen Gebrauchsgegenstände in einer solchen Grandezza darzustellen sind! Der eine, le Spatz mit Kronkorkenbügelschwanz, völlig aus der Mode, der andere, einfachst gefertigte “Rollen”hund zerkratzt,  “bespielt” und durch diese Kombination kurz vor “schäbig”, sein Alter schwer einzuschätzen. Während wiederum beim anderen die Vorstellung schaudern macht, in welcher Art opulenten Kitsch er sich in “Original-Umgebung” befunden haben muß..start-89990002-aAber so fotografiert paßt alles: eine “Provenienz” suggerierende, sorgsam ausgesuchte und zusammengestellte Umgebung schafft das. Und die frisch aufgenommenen Fotos sind erst der Anfang – da scharrt nämlich schon die Postproduktion mit den Hufen und ärmelhochkrempelnde Experimentierlust juckt unter den Nägeln.. Wie-ha!start-89990002Eine Fundusverkaufsgelegenheit am letzten August-Samstag ist mir Anlaß, es mal mit “Produktfotografie” zu versuchen. Denn ich habe beschlossen, einst lustvoll Erjagtes wieder in Umlauf zu bringen, nachdem es nun fast zwei Jahrzehnte – mein Fotoarchiv läßt eine überraschend genaue Datierung zu – in Kisten verbrachte. Die Gelegenheit, es einmal, weniger “marketechnisch” ausgedrückt, mit dem klassischen Stilleben zu versuchen.

Dabei bricht aus mir der Bastler hervor, der Experimentator, der Stauner über die Möglichkeiten, den erzielten Aufbau dann fotografisch weiter dadurch zu verfremden, indem man ihn aufnimmt, mithilfe der fotografischen Technk in etwas anderes, ein Bild, überführt. Damit nicht bloß eine Dimenson weg”läßt”, sondern so den einfachen Gegenständen, die dieses Ensemble bilden, die man zurechtgezupft, arrangiert, flachgezogen oder geknüllt hat, eine völlig neue optische “Bedeutung”, ja, nahezu eine Aura gibt.

Wenn es etwas gibt, was mich an dieser “Disziplin” fasziniert, dann das.

Und anbei: das ständige Ausschauhalten – und Ausschau-gehalten-haben-  nach .. Requisiten? Ja: Requisiten, aber in einem weiteren, metatheatralischen Sinn gefaßt. Eher im Sinne von: Hintergrund-Baumaterialien. Dabei kommt schlichtweg alles in Frage, was Farbe, Textur, oder so etwas schwer zu Beschreibendes wie “Beleuchtungsvorzüge” hat. Im fertigen Bild gar nur ein prima Bokeh ergeben kann. Wie zum Beispiel impulsiv/intuitiv gesammelter Kaffesatz. Schaut mal, wie prima, irgendwie vertraut (aus Vampirfilmen?) und doch exotisch der sich bei diesem Foto der “öffnenden Hand” macht:

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Wie oft beim Endlich-Selber-mal-machen ist der Lerneffekt deutlicher, emotional verankerter als beim Lernlesen und ich denke, von einer Binsenweisheit überrascht ;-) : Ist es nicht eigentlich IMMMER die “richtige”, passende Umgebung, die den Dingen zu ihrer eigentlichen Strahlkraft verhilft, eine Umgebung, die das Wesen der Einzeldinge hervortreten läßt, verstärkt, ihr Wirkungspotential offenbart?

Für die frisch wiederentdeckten Flohmarktfunde aus Kisten des eigenen Keller macht es Spaß, passende Umgebungen zu “bauen”. Einen Glücksfall kann man den Fund dieses Zeitungssausschnitts von Neunzehnhundertfünfunddreißig (!) bewerten, der perfekt in Farbe, Zerknitterung (das Ding war kinderfaustgroß in eine Papprolle geknüllt) und als “antiquarischer” Background fungiert. Nicht optimal wie bei diesem Bild als Startversuch unten,

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dann aber später, nach einigem Umstellen als Unter- und leicht unscharf gehaltener Hintergrund des Hundes and more – siehe oben.

Wie die Vorfreude auf ein Puzzlespiel mit unbekannten, noch zu entdeckenden oder umzufunktionierenden Teilen ist mir diese besondere Art der Fotografischen Gestaltung: einen fotografischen Schatz, oder ne coole Idee gleich zu Anfang der Fotosession mit den Flohmarktsachen entdeckte ich schon beim Auspacken: die besondere Fotogenität in altvergilbte Zeitungen rundgewickelter Trinkgläser. Dieses Motiv und seine Möglichkeiten sind bei Weitem noch nicht ausgelotet.

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Ja, ja, Allgemeinplatz: man kann im selbstgemachten Studio alle Parameter selbst bestimmen. Das wiederum bedeutet für den Fotograf eine völlig andere Situation, verglichen zur Motivjagd im Freien. Nur die Fantastie und eventuell nicht vorhandene, doch imaginierte Requisiten setzen Grenzen. In diesem Fall die Herausforderung, alte Hintergrundstücke zu alten Protagonisten zu finden. Niemals zum Beispiel hätte ein frisch gewischter, makellos neuer Untergrund den Vintage-Faktor dieses Glases mitverstärkt wie hier:90000012

Oder altes Seidenpapier, das mit digital erzeugten, halb transparenten Passepartout dem gläsernen Handtuchhalter zu einem, wie schreibt man so schön klischeehaft wirkungsvollen Auftritt verhilft. Und der Glasstab gleichzeitig einen interessanten himmelsblau-schluckend “Schatten” wirft:

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Oder man hat das Glück, irgendwann auf dem Flohmarkt Tapetenreste zu finden. Auch wenn die kaum fürs “kleinste Zimmer des Hauses” ausreichen, empfehle ich allen fotobegeisterten Studiofreaks/Nerds dennoch dringend die Anschaffung:

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Ebensowenig sollte man an ungewaschenen ;-) Baumwolltaschen aus den Achtzigern (?) vorübergehen. Vor allem, wenn es im Fundus schon “Party-Gabeln, Qualitäts-Stahlware” aus den, ich würde sagen Sechzigern gibt:

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Aber es müssen nicht nur betagte Hintergrundmaterialien herhalten. Eines meiner bevorzugten  Mittel zur “modernen” optischen Aufputzung ist und bleibt seit diesem Postkartengaleriebild von 2010 die Blisterfolie:

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Gegen das Licht aufgenommen immer wieder eine optische Freude: geordnete Struktur und und unregelmäßiger Patina-Effekt gleichzeitig. Im Unscharfen organische Wirkung. Und gleichzeitig Maßstab, um die “Lebensgröße” der Porträtierten wie oben bei dem “Streichholzbriefchen” mit Gitarrenplektren einzuschätzen.

Eine “schmackhaft” gemachte Produkt Stillebenfotografie ist AUCH ein Geschmacksbilder, ein Serviervorschlag..

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Musik beim Schreiben heute:

Jim Kahr: “Back To Chicago”, Acoustic Music Records, 1992

Dr. John: “Television”, GRP Records, 1994

Van Morrison: “Days Like This”, Polydor, 1995

Wikipoodle, der Allererste

Obwohl das Wissensportal Wikipedia oft in der Kritik steht – hauptsächlich bewegt sich diese als Kraftfeld zwischen dem Vorwurf des  Wirkens von verdecktem Lobbyismus einerseits und der Bezichtigung als Halbwahrheitspool andererseits – häng ich beim Schreiben mit mindestens einem geöffneten Tab immer drauf rum, um schnell Grundlegendes zu reahsschen, äh: erhaschen.

Irgendwann fiel mir beim Lesen englischer Artikel auf, daß diese erstaunlicherweise keine deutschsprachigen Wiki-Artikel zugeordnet hatten. Und wurde so auf dieses Phänomen aufmerksam. Da seit Gründung der Wikipedia am 15. Januar 2001 und dem heutigen Datum wahrlich genug Zeit vergangen ist, um diesen Wissenspool wahrhaft gesättigt zu wähnen, alle möglichen und unmöglichen Themen als erschöpfend abgedeckt zu sehen und der Vervollkommnung nahe zu vermuten, kommt man aufgrund dieser Entdeckungen schnell zu dem Schluß, den Grund dazu unterschiedlichen Kulturen und deren Wissenspräferenzen geschuldet zu sehen.

Interessanterweise klaffen also bei manchen Auffassungen von der Welt  kulturell bedingte blinde Flecken (im Vorhandensein, nicht nur in der Übersetzung oder Illustration) auf, die ich für spannende Lücken halte. Als erstes frappantes Beispiel stieß ich auf den doch sehr kontrastierenden “content” der deutschen und englischsprachigen Version des Artikels zum Thema Rourkela. Nach dem Begriff “Kreditanstalt für Wiederaufbau” zum Beispiel sucht man in der englischen Version recht vergebens..

Auch die sich in Sprichworten ausdrückenden Weltsichten unterschiedlicher Kulturen sind mir von ähnlichem Interesse. Oder das Ausbleiben sinngemäßer Sprüche aufgrund.. unterschiedlicher Kulturen! Ein Beispiel: das Fehlen des zimmereigenen Elefanten im deutschen Sprachraum ;-)

Ebenso ist die Art der “Wiki-Fotografie”, die ja auffällig und zielsicher zwischen den Klischees Amateur- und Schnappschußästhetik verharrt und durch diese “fotografische Suggestion” jeglichen Verdacht des Wirkens von werblichen Fotoprofis – und analog: Artikel-Verfassern – zu vermeiden sucht für die eine oder andere künftige Bildbetrachtung spannend.

Warum zum Beispiel  – und zur Übung – schiede untiges Bild aus??

ÄtscheAntwort: unmöglich zu sagen. Man müßte wissen, worum sich der Artikel dreht, an den das angeheftet wäre. Schotterflug? Bokeh? Steingarten? Urban Gardening? Merksprüche der Eisenbahnerzunft? Ursprünge des GeoCaching? Meteoriten in Wohngebieten? Mm.. Also ich könnte mir da schon einige passende Stellen vorstellen, an denen dieses Foto mit entsprechender Unterschrift ausschließlich humorfrei illustrierenden Charakter hätte, also keinerlei Beimengungen von Ironie, Sarkasmus oder gar Subversion “beinhalten” würde.

Mein Lieblings-Paradebeispiel Fotos-plus-erklärende-Wiki-Ernsthaftigkeit: die mittlerweile entfernte  :-( Rubrik/Galerie-Überschrift: Laugengebäck im Bild.

Wenn ich da allerdings anfinge, zu fantasieren, kämen ganz schön schräge Themen und Kombinationen bei raus. Das ist aber nicht der Sinn eines Online-Lexikons.

Ausscheiden würde das Bild, so für sich allein stehend, eher  wegen der… Symmetrie. Die gilt ja schon als Gestaltung. Das wäre verdächtig..

Darum eröffne ich im Halbspaß heute & hier eine neue Kategorie, den WikiPoodle, in der ich diese gefundenen und künftig auffällig werdende Lücken zusammentrage und dieses Fehlen zum SchreibAnlaß nehme, dazu Essays,  Gedankenfetzen und Überlegungen anzustellen zu verüben.

Materialsammlung, die ebenfalls allererste:

Vor knapp einem Jahr gabs meinen ersten Fall der vergeblichen Wikipedia-Suche, nämlich die nach dem optischen Gewicht.

Ebenso, eine Weile später: das augenscheinliche Fehlen von nützlichen Idioten in Deutschland wunderte mich als zweites, kommt eigentlich doch keine höher entwickelte Gesellschaft ohne sie aus ;-)

Auch eine bestimmte hochinteressante Zeitgeisterscheinung, ein Phänomen der Ideenverklappung, das social media und überschüssige freie Kreativität (wirklich?) um ihrer selbst willen vereint, vermisse ich dieser Tage: den Freitagstexter.

Und gar ein Neues, gerade entdeckt: 81.800 Einträge heute chez Google, aber nicht mal EINE Erwähnung oder Sinnspruchlisteneintrag auf Wikipedia für Nicht zur Strafe, nur zur Übung.

(..)

Funde heute. Beim Schreiben und Links-verfolgen:

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Die heute nur als Kontrastmittel mit dem Text zusammenhängende Bilderstrecke (leider kein Wikitaugliches dabei ;-(  Warum bloß – dazu später mehr) gibts heute mal erst hier unten, aufgenommen: kürzlich, nämlich Ende Mai 2014.

Rheinlustfelsen “1837″. Mannheim, ehem. Schloßgarten

 

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Musik beim Schreiben heute:

Quincy Jones: “Pure Delight – The Essential Of”, Polygram, comp. 1995

The Talking Heads: “Remain In Light”, SIRE , 1980

The Ting Tings: “We Startet Nothing”,  SONY, 2008

Fonosandwich: “Fonosandwich”, Rather Interesting, 1997

various artists: “The Best Of Acid Jazz Volume 2″, ACID JAZZ, 1993

Fussel Gen

Eingewöhnungsschmerzen. So würde ich die negative Komponente beim Einarbeiten in die neusten Versionen meiner digitalen/medialen Werkstatt bezeichnen.

Denn ich schlag´ mich nun seit zwei Wochen – alles schön in Etappen, ich will mir ja den Spaß am Neuen nicht knicken – mit neuem PC-Equipment herum. Nicht nur, daß dieser längst fällige Sprung über vier bis acht (!) Versionen Software jeglicher Provenienz einem Kulturschock gleichkommt- alles fühlt sich anders an, ist woanders positioniert, Teller und Töpfe sind nicht mehr in Schränken, sondern in Projekt-Ordnern untergebracht.

Darüberhinaus kommt noch die berüchtigte Datenmigration dazu, die ich-ebenfalls old school- zu Fuß per Berge gebrannter Backup-CD-ROMs zu erledigen im Begriff stehe. Warum fällt mir dazu bloß immer das Bild eines Heizers im Eisenbahnbetrieb ein, der mit ner winzigen Schippe Kohlen auf Kohlen in den Kessel leiert?? Aber dieses – ich gebs zu: argwöhnische – Tasten ins Neuland hat auch unbestreitbar Gutes: das Gefühl, neu und so modern as can be zu sein.

Dann geschah es gar, daß ich als eigentlich “Technikferner” in so ne Art Abenteuerlaune geriet, mich an alte Werkzeuge erinnerte und dann meinen alten, schon vergilbten (!) Agfa Scanner, den ich softwaremäßig schon verloren glaubte, aus einer verschütteten Schicht aus irgendeinem Schrank hervorgrub. Nicht nur dessen Produktion, so erfuhr ich anschließend im Netz, gar der Support ist schon seit Jahren eingestellt!

Aber muß das denn immer gleich heißen: zum Müll damit? Nach dem Motto: “nutzlos ohne Treiber“? Muß es nicht, fand ich doch da ne Software, die, ich zitiere: “Hunderte von Kamera- & Scannertypen, äh, “unterstützt” Wow- die Wutz in Dosen! Doch Moment mal: “früher” mußte man von jedem Hersteller den Treiber a) kaufen und b) dann schön pflegen. Und nun soll das ALLES mit einer Software gehen?? Da kommt man sich im Rückblick doch leicht verkarscht vor..

Aber Schwamm drauf | wie auch immer | sei´s drum: man ist unerwartet und dadurch beglückt im Scanbetrieb & die Freude am neuen/alten Werk/Spielzeug gewinnt flugs die Oberhand. Und prompt öffneten sich lang zugeschobene Schubladen im Nebenzimmer. Papierbilder en masse und alte Digitalisierungen auf CD-ROM. Mit Scans von weiteren Fossilien: gebrauchtes Kohlepapier zum Beispiel:

Und damit natürlich eine unüberschaubare Masse Bilder aus der Zeit, bevor ich immer gleich hab digitalisieren lassen nach dem Duschen (i.e.: entwickeln) treten ans Tageslicht again. Das ist noch gar nicht so lange her: ich schätze bis vor zehn Jahren hab ich regelmäßig nur Papier und keine frisch beschriebenen CD-ROMs nach Hause getragen. Und: Ein schneller quick-and-dirty Scan bringt ja ganz andere ästhetische Sensationen fertig als das Abfotografieren, wie man hier unten sehen kann: das fühlt sich mächtig anders an als die Norm, irgendwie, als liege da eine Schicht Zeit auf/über dem Bild. Also direkt zwischen dem Foto und uns, den Betrachtern.

Man ist ja dieses Überscharfe, Reine schon so gewöhnt, daß also mich beim Anblick der ersten Versuche gar mannigfaltige “Anreize”, die frisch gescannten Dateien zu “verbessern”, heimsuchten. Nicht nur wie üblich Farbumfang oder Kontrast in den Schwitzkasten zu nehmen, sondern diese lang überwunden geglaubten unglaubliche Flecken, Streifen und Fusseln und Staubkörner, die großzügig beigesteuert werden von den Üblichen Verdächtigen Elektrostatik, Glasabschabung oder Finger- oder gar Kleberesteabdrücken: das Analoge im Digitalen Kanal. Guckt nur mal auf das “Lametta” überm Bach: echter, digitaler …Dreck!

Das alles erinnert mich in aller Jähigkeit an … APPs für iPhones! Hipstamatic! (..) Nachdem der mythische Kampf zur Erringung makelloser Fotos in aller Schärfe und Farbdeutlichkeit nun auch für den Amateur serienmäßig gewonnen ist, wird ja werkseitig nun wieder alles getan, “Leben” in Knipsbilder zu bringen: Sepia-, Störungsfilter, künstlich hineingerechnete Vignettierung und lokale Ausbleichung, Crossfärbungsalgorithmen….

Doch zurück zum Neuen: Ich mache mich mit dem intelligenten “Reparaturpinsel” vertraut. Intelligent ist dieser Pinsel insofern, als er “erkennt”, welche Flecken man aus seinem Bild gerne weghaben mag und welche Hemdstreifen oder Astgeflechte bleiben sollen. Erstaunliches geschieht, wenn man ein wenig herumgepinselt hat mit größeren oder kleinen Werkzeugspitzen und größeren oder weniger großen überstrichenen Flächen, bevor man den Maustaster wieder los und den Rechner loslegen läßt:

Die pinselige Intelligenz erzeugt, je nach Duktus und Größe sehr merkwürdige “Reparaturen”, der Pinsel gerät durch experimentellen Gebrauch in Verwirrung und mischt zusammen, was nicht zusammensoll- Nudelmutationen die zwischen künstlerischer Skulpturhaftigkeit und geschmolzenem Metallformen mäandern– ein neues Spielfeld!!

Das zu programmieren war bestimmt nicht einfach, aber wir stehen ja auch damit auf den Schultern von Riesen, schreiben ja auch schon das Jahr 50 nach der Erfindung der Mustererkennung. Überhaupt erstaunlich, wie diese technisch-mathematische Errungenschaft unser tägliches Leben bestimmt: nicht nur Gesichter- oder Sinn- und Worterkennen (“Meinten Sie..?”), das geht ja auch schon längst im 3-D Bereich weiter, wo Fabrikroboter erkennen gelernt haben, auf welcher Seite die Kegel liegen, die da auf dem Laufband heranfahren…

Außerdem, das ist mir auch neu, sind wir nun soweit: die Adobe-Software liefert nun genau das nach hause, was man immer den großen Datenkraken anheimstellt: das ungebetene Personenerkennen.

Nur diesmal im gesamten heimischen=internen Festplattenspeicheruniversum. Da werden (im Ordnermodus) plötzlich Gesichtsumrahmungsfenster sichtbar, wo vorher nichts als Bildnis war. Die fragen auch noch nach der Identität der/des Abgebildeten und öffnen dann Fenster, in denen man die Namen antaggen kann. Was eine Eingabearbeit!! Wohl dem also, der dann gleich seine gesamte virtuelle Arbeitsleistung in einer Schlagwortwolke betrachten kann wie der Gärtner nach getaner Beete-Anlage…

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Musik beim Schreiben heute: to rococo rot: “veiculo”, City Slang, 1997

Tito Puente/Perez Prado: “A Selection Of Mambo & Cha Cha”, TELMA, 1995various artists /Groove Armada: “Late Night Tales”, Coolport, 2008

Mick Hucknall: “Tribute To Bobby”, Simplyred, 2008

Jamiroquai: “Rock Dust Light Star”, Mercury, 2010

Chaka Khan: “I Feel For You”, Warner, 1984

Man liest vom Ende der Fotografie

“Man kann einer Fotografie nie mehr trauen. Sie gibt vor, an einem bestimmten Ort zu einer bestimmten Zeit entstanden zu sein – doch das kann auch eine reine Erfindung sein.” Ein Zitat David Hockneys aus einem Interview mit dem Spiegel. Das liegt 7 Jahre zurück und ich beginne, mich näher heranzugooglen an dieses Thema. Unlängst nämlich lag das bereits 1979 erschienene, fotografie-kritische Buch Über Fotografie von Susan Sontag auf dem Tisch des Buchhändler meines Vertrauens. Bald darauf gehörte es zu meiner Bettlektüre. Die darin diskutierte Vorstellung vom Ende der Fotografie hat mich etwas befremdet: Bei diesen ganzen im Netz herumschwirrenden unvorstellbaren Mengen an Aufnahmen etwas komisch, dachte ich mir zuerst. Aber die Sichtweise zielt auf etwas, das mit dem ursprünglichen Funktionswert der Fotografie zu tun hat: mit der einst allein der Malerei eigenen -und jetzt diese ablösenden- Autorität, die Wirklichkeit darzustellen. Diese schwindet tatsächlich in ein bodenloses Nichts, bedenkt man es etwas näher: die Möglichkeiten, per Rechner und Bildbearbeitungs-Software in fast jedem erdenklichen Maße ins Bild selber einzugreifen ist schon in die Wohnungen der Normalos eingezogen. Und die dargestellte “Wirklichkeit” kann von jedem im eigenen Sinne beeinflusst werden. Und das gar, ohne bei der Herstellung des Bildes per Kamera dabei gewesen sein zu müssen. Postproduktion sag ich da bloß- von der serienreifenden Lichfeldfotografie erstmal gaaanz zu schweigen. Man liest ja auch von Werbekampagnen multinationaler Konzerne, die für neue Kampagnen aus den Portfolios von Postproduktions-studios auswählen, während die Sichtweise des eventuell in Frage kommenden Fotografen zur Herstellung des “Ausgangsmaterials” als sekundär gesehen würde… Das Wort Hochglanz und Branchenlevel als Geisel der bildbearbeitenden Menschheit.. Welch überraschend deutlichen Satz von Daniel Boschung zum Beispiel las ich neulich, sehr selbstkritisch -und ausgerechnet als Inhalt der (mittlerweile verschwundenen) Laudatio zum Jahrbuch-Award des bff.de: “..man sehe sich nur den Triumph der Künstlichkeit an, der in der Rubrik „Transportation“ herrscht“. Die fotografisch Kreativen sind sich offensichtlich in aller Deutlichkeit bewußt, wo sie sich gerade mit ihrer Tätigkeit bewegen.. Dazu noch einmal David Hockney: “Jetzt ist diese Kontrolle der Welt durch die Sehweise der Linsen und der Kameras ihrerseits ans Ende gekommen – weil sie von der digitalen Bildbearbeitung ad absurdum geführt wurde und die Sehnsucht aufkommt nach einer neuen Wahrhaftigkeit in den Bildern.” Es wird klar: die Fotografen sind sich dieses “irrealen” Aspekts ihrer Arbeit nicht nur wohl bewußt, ja, ich fand durch bloßes Herumsurfen andere Künstler, wie Keith Cottingham, der genau dieses Thema von der quasi gegenüberliegenden Seite angeht und so tut, als wäre die Fotografie reines Mittel zur totalen Erfindung: These are documents of no place, of no time, and of no body” heißt es sehr eindrücklich im Einführungstext zu seinem Werk “1999 history re-purposed” unter dem Tenor Can we ever know the truth of the past? Is there such a thing as scientific objectivity? Die Fotografen Peter Funch, Nicolas Dhervillers, Robert Overweg kümmern sich ebenfalls darum, jeder auf seine spezielle Weise- sie sind die ersten paar, die ich schon entdeckt habe. Und: es werden sicherlich nicht die letzten sein. Wann aber wird diese Einstellung zu fotografischen Bildern im allgemeinen Bewußtsein angekommen sein, frage ich mich angesichts dieser unaufhaltsamen Entwicklung, die Wahrnehmung, Kunst und technische Entwicklung da produzieren: daß man Bilder nicht mehr als Abbilder der Realität sieht, sondern als.. mh- keine Ahnung als was. Als bunte Variationen der Fantasie, als raffiniertes-Konstrukt-der-abbildbaren-Wirklichkeit-im-Baukastenprinzip, wie zum Beispiel die leuchtenden Bilder von Ruud Van Empel ?? Und wie wird sich dann der Blick auf die Welt per se ändern?? Die aktuelle Bilderschwemme ist noch zu nah dran an den Sehgewohnheiten- diese wiederum erzeugen weitere Ströme an Bildern, als daß man jedes Foto gleich als reine Ausgeburt der Künstlichkeit identifizöre..     Zur selben Zeit entdecke ich auch die verwirrenden Bilder der Pictorialisten– Fotografen, die Fotografie als Kunst anerkannt sehen wollten und um die Wende zum 19. Jahrhundert hin Fotos zu Bildwerken stilisierten. Diese geschah mithilfe des Labors, in dem der der Fotografie als abhold gesehene “künstlerische Touch”, die Aura des Unikats/Originals mithilfe von Entwicklungs- und Dunkelkammertechniken erreicht werden sollte. Zitat: «Für manche war das Negativ nur die Skizze, die erst im Ablauf von Entwicklung und Abzug zur Kunst wurde. » Das kam man hervorragend an den Bildern von Hugo Henneberg, Léonard Misonne oder Constant Puyo nachvollziehen, bei deren ersten Anblick es rätseln macht, was genau man denn da vor sich hat: die Werke wirken durchweg wie Gemälde auf mich- völlig durchkomponiert, wie man das auf Fotos heutzutage nur bei den Großen sieht. “Lustig,” dachte ich dabei: “da verschwindet jemand wieder durch die Tür, durch die er gekommen ist.” So schließt sich ein Kreis, in dem sich beim Ringen um Anerkennung Authentizität und Künstlichkeit in den Schwanz beißen.

Am Schluß bleiben hie wie da die Bilder, die ansprechen im Gedächtnis. Nur mit Wirklichkeit müssen sie nichts mehr zu tun haben, das ist das Neue in der Geschichte der Wahrnehmung.

PS.: zwei Bilder hier auf dieser Seite sind nicht durch den Photoshop gedreht. ______________________________________________________________

Musik beim Schreiben heute:

Beady Belle: “Closer”, Jazzland, 2005

David Byrne: “Music For The Knee Plays” ECM, 1985

Donald Fagen: “Morph The Cat”, Reprise 2006

Groove Armada: “Late Night Tales”, Late Night Tales, 2008

various artists: “The White Room”, Sony Music 2004