"Ich werde hier natürlich nicht verraten, wie die Geschichte endet," sagt der Radio-Moderator. Nicht nur zu uns, die wir noch räkelnd im sonntäglichen Bett den Morgen kommen lassen, sondern gewissermaßen auch als Ehrerbietung der ebenfalls im Studio zur Rede stehenden Krimiautorin gegenüber. Schön, denke ich. Gehört sich auch so, vor allem bei Krimis.

Aber: besagtes Buch ist jetzt vierzehn Tage raus, der Verlag tut seine Pflicht, die Medienschwämme saugen es begierig auf, um es an allen nur erreichbaren virtuellen Orten = auf Tausenden Tablets/Bildschirmen am heimeligen Desk auf simplen MausWischFingerKlick hin vielfach wieder zu diplayen.

Und dann, nur Stunden später, das Unvermeidliche: irgendwer wirds tun: nämlich das Ende, nein.. nicht "verraten"- das klingt nieder&gemein. Nein: "einbetten" in eine der vielen Kundenrezensionen, ob nun hilfreich oder weniger hilfreich. Dieser Job wird GARANTIERT erledigt, ganz im Sinne von nicht mehr existenten- Achtung - Spoiler-: filmende.de

Fui and double Fui!
kann ich da nur sagen, denken und schreiben. Und kann mir dabei sehr gut vorstellen, daß das Gros der Autoren -so sie ob ihrer späten Geburt sich anderes garnicht mehr vorstellen können- mit diesem allgegenwärtigen Geheimnisverrat, den diese Art öffentlich mitzugestaltende Kulturkritik für das Krimi-Genre darstellt, zu leben gelernt hat. Damit zu leben gelernt haben muß. Denn DAS wird NIE MEHR anders.

Höchstens schlimmer. Mich hingegen als naiver, reiner Nur-Leser-und-nicht-Rezensionsvers(ch)euchter-sein-Wollender störte das an Autorenstelle ganz gewaltig: Sooo lange hat man an diesem Werk herumgeschrieben, recherchiert, ja: Verlags"vorschläge" à la "Schreiben Sie doch mal was über.." mit einem halb erstickten, inneren "Amen" quittiert, schlaflose Nächte mit vom Screenlicht bleich erhellten Gesicht in völligen Dunkel verbracht. Und sich als krönden Abschluß auch noch ein mit der Story zusammenhangloses Cover aufbrummen lassen- "Aufmerksamkeitskriterien, you know"..

Und kaum schlägt das Buch in den Regalen der Läden, Online-Versendern oder Briefkästen auf, machen sich die Selbsternannten dran, in ihrem radebrechenden Genuschelstil die Spannung für alle zu verjubeln. Damned!! Oder wie seht Ihr das, Ihr Autoren??

Daß es hier auf der reinretchen-Ebene keine Stories -und Enden dazu- überhaupt nicht gibt, scheint das einzige Mittel dagegen zu sein. Ganz im Sinne von (höchstens) "Ich werde hier natürlich nur verraten, wie die Geschichte startet." Und das, das mag man mal sich selber ausmalen. Malzeug steuere ich gerne bei: zwei, drei hochkant geschnittene Fotos, deren Layout so tut, als ob es sich um den Anfang einer spannenden Geschichte handelte. Oder gar um die singuläre, bildliche Zusammenfassung der ganzen Geschichte. Sollte es also so etwas Modernes wie GretchenLEAKS hier geben, dann werden sich die Enthüllungen nur in extrem kontrollierten Rahmen bewegen. Bewegen können. Wo keine Story, da auch kein Ausplauderer. Nur die kryptischen, übereinander geparkten Buchstaben an der Stelle, wo Autor und Titel zu liegen kommt.

Yeah! Denn: Geheimnisse gehören zum menschlichen Leben. Nicht im Sinne von Bedrohung, Quelle der Unsicherheit, sozialen Ausschlusses, gar als unüberwindbare Hindernisse, nein. Es geht hier um Geheimnisse, die Aufbruchsstimmung erzeugen. Nicht nur in der der Literatur. Diese Geheimnisse sind eine, wenn nicht DIE Quelle der Inspiration.

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Musik beim Schreiben heute:

Maxwell: "Urban Hang Suite", Columbia/Sony, 1996

Fila Brazillia: "Jump Leads", Pinnacle International, 2004

various artists: “Tougher Than Tough- The Story Of Jamaican Music”, Mango/ Island, 1993