Fotos aus dem Archiv durchgucken, um Anwärter für die Buchtitel zu finden, diese dann ansprechend zu schneiden, "Verlagsbalken" und das kleine Wörtchen "Kriminalroman" im unteren Drittel einzufügen ist eine Sache.

Spannend aber wirds dann erst richtig, wenn das Kind, sprich der fiktive Autor, einen Namen bekommen soll. Diese Tätigkeit ist mir mit dem Finden des Buchtitels ein mindestens ebenso großes Vergnügen wie die vorhergehenden fotografischen Arbeiten. Und: sie geht mir erstaunlich leicht von der Hand, mündet manches Mal in wahrhaft beglückende Momente, wenn ich bemerke, daß sich in Kombination plötzlich die Vorahnung einer ganzen Geschichte erhebt/auftut/abzeichnet.

Anschließend wichtig: das Feedback der Freunde und näheren Bekannten. Da tat sich Erstaunliches nach erster Preview-Bekanntgabe der Namen zum Reingretchen-Projekt:



ich registriere fasziniert, wie manche "Eingeweihten" angesichts der Titel innehalten, um die erfundenen Autoren-Namen erst mit Blicken zu überstreichen, dann gar aussprechen, um sie im Mund/Geist sich drehen zu lassen. Grad so, als ob man bei einem guten Essen die Leckerbissen im Mund erstmal umfängt, um ihren ganzen Geschmack- ihre geschmackliche Tragweite auszukosten.

Wow, denke ich- das bloße Lesen von Worten als wahrhaft sinnliche Tätigkeit. Manche fühlen sich gar spontan angeregt, selber Namen aus dem Steh´ zu greifen, blicken dazu plötzlich wie abwesend in die Ferne und sagen dann murmelnd Sachen wie: "Ulla Niederstorm" oder "Franz Mayerbrinck"...



Wem das merkwürdig erscheinen mag, den kann ich beruhigen- genau dasselbe Phänomen habe ich jahrelang als CD-Verkäufer bei unzähligen Kunden mitangesehen:

"(nämlich die) Faszination Musikbegeisterter, (und) auch Händler,(..) die Namen der favorisierten Band/Künstler laut vor sich hin zu sagen, verschiedene Aussprachen auszuprobieren, um die verehrungswürdigste zu finden. Die, die am coolsten klingt und gleichzeitig die kulturelle Größe durchspürbar macht."

- ein Zitat aus meinem/el Berndos Charakterschutz-Werk von 2007.



Und da haben wir auch schon das Stichwort: Kulturelle Größe. DAS verbinden wir doch mit Autoren und dem "Geschmack" ihrer Namen. Denn, wenn wir schon nicht wissen (können), was genau sich hinter einer unbekannten Buchvorderseite verbirgt, versuchen wir doch zumindest intuitiv, über die bildnerische Anmutung hinweg auch den Klang des Namens mit einzubeziehen und abwägend darauf zu schließen, was sich dahinter verbergen mag.



Namen sind nämlich Musik in den Ohren. Gute und schlechte, plärrende, häßliche laute oder verführerisch lockende Musik. Etwas merkantilitätsstichiger ausgedrückt: Ein Name prägt die Marke und ist somit eines der wichtigsten Mittel zur Vermarktung. (Quelle : http://de.wikipedia.org/wiki/Naming )

Somit gehören auch Personennamen, die ja eigentlich kein Produkt-, sehr wohl aber ein Markenname sein können genauso zu dieser Kategorie. Also soll mir niemand einreden wollen, ein Roman namens XY eines gewissen Albrecht Sauheutle hätte bei den hiesigen Rezipienten diesselbe Aura/denselben Appeal wie ein gleichlautender Roman des bislang ungooglebaren Allister Gorgovoy.



Ganz im Gegenteil kann man- wenn man schon frei verfügen kann- das Gestalten von Namen für Autor und Titel in Beziehung bringen und damit schon einiges Nähere zur Geschichte hinter dem Cover aussagen/ausstrahlen lassen. Gibt es doch, gerade im Bereich der Kriminalliteratur, die in den letzten Jahren massenweise Autorenzulauf bekam, bestimmte Stereotypen an Urhebern: die unscheinbare Hausfrau, der pensionierte Kriminalbeamte oder quereinsteigende Richter, der traumatisierte Förster oder der ausgebrannte Streetworker. Sie alle bringen mehr oder weniger fachmännisch ihre gelebten Erfahrungen in diese zeitgenössische Literaturströmung ein.



Also darf man doch auch dieses in der Namensfindung anklingen lassen. Denn Namen verweisen auf Herkunft (geografisch, religiös oder weltanschaulich) und vermögen gar, innerhalb derselben Person Disparitäten zum Ausdruck zu bringen. Rashid O'Dongohue als als Koprodukt irischer und arabischer Herkunft/Kultur, ein schon erwähntes Beispiel.

Mittlerweile herrscht mir ein solcher Ideenansturm und Lust am Namenerfinden, daß ein wahres Gerangel um immer noch fantastischer, echter und/oder fantasievoller wirkende Autorennamen mir nun als eine Art Tauf-Passion entbrannt ist, daß ich mittlerweile nicht nur angefangen habe, mir ne Shortlist anzulegen, auch gabs (Anmerkung von 2023) ein neues Gewinnspiel dazu: so ne Art Einführung in die Weiten der Inspiration, die ich vom reingretchen bislang erfahren durfte:



Es macht Spaß, selber möglichst die Fantasie anregende Namen zu finden. Mit nem Freund aus der Werbebranche, der auch sehr sprachaffin ist, bin ich irgendwann auf die Idee gekommen, aus (Fremd)wörtern echt klingende Namen von Personen zu machen. Zum Beispiel aus "W-LAN" wird Gustave Wélan oder aus Radfahrer per Verhörer, der Radioempfang war nicht der beste = Ra Farrah. Oder das türkische Wort für Steigbügel "üzengl" wird zu = Miriam Uez-Engl. Und aus "sprachaffin" kann flugs Steffen-Paul Rachaffin werden..Wie man sieht, hab ich da vor nix Respekt ;-) In diesem Sinne ist das Gewinnspiel eine Art Suchspiel: man sieht das Ergebnis des Umbaus und soll anhand der Hinweise auf das ursprüngliche Wort oder den Begriff schließen. Im Beispiel unten schreibt man z.B. die Katja Fo, wie man das bei Indexierungen oder auf Ämtern so macht: Nachnamen zuerst, dann Komma, dann Vornamen: Fo, Katja. Das hört sich doch gleich nach diesem italienischen Brot an, oder?



Nachtrag zur Aktualisierung: Das Ganze hat sich (dann damals, Anm. der Redaktion 2023) aufgebläht beyond control: grad im Archiv gelagerte Artikel namens "Heidi Ohrensteif und das Iversum, Nusc Helun" oder "Grittibänz in Amsterdam" sind eigentlich des allgemeinen GEnusses wert & könnten deshalbens demnächst wieder hier auftauchen.

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Musik beim Schreiben heute:

Duke Ellington: "Latin America Suite" Fantasy, 1970

various artists, hosted by Francesco Diaz: “Luxury House For A Lovely Weekend In Paris”, Intergroove, 2002

Donald Fagen: "The Nightfly", Warner, 1984

Scritti Politti: "Anomie & Bonhomie", Virgin, 1999

Nightmares On Wax “Smokers Delight”, WARP Records, 1995

various artists: “Blue Brazil Vol. 3” comp. 2000 Blue Note