Ein Wort macht mehr aus tausend Bildern"- so habe ich vor einem Jahr einen Artikel zum quasi unbewußten Start und zu meiner ersten Klärungsfindung dieses Reingretchen-Projekts betitelt. Denn wenn einem eine neue, nach groß riechende Idee zufliegt, versucht man, die Dimensionen zu erfassen. Und je größer die Möglichkeiten dieser Idee, desto allmählicher=langsamer das Erkennen.

Heute, nach einem Jahr Beschäftigung und ich würde sagen "gefühltem erstem Start"- dem Erreichen der 230er Entwurfsmarke an KrimiCovers gestern abend - 128 sind ja schon zu sehen- geht mein Interesse den nächsten Schritt. Und versucht, sich die Wirkung, den Sinn und das Echo des Reingretchens mit der Sprache der Kulturtiki (-kritik) vorzustellen. Eine Imaginations-"Technik", die mir schon bei dem nun ein halbes Jahrzehnt zurückliegenden Charakterschutz-Projekt zu neuen Einsichten verholfen hat.

Der erste Schritt ist natürlich immer das Werk selbst. Die Kreation, die Arbeit ausschließlich im Inneren sozusagen. Nach fast zwei Jahrzehnten Arbeit als "Kulturverkäufer" ist jedoch der Wert des Echos, also das Vervollständigende der Kulturkritik zu jedem Werk als mindestens ebenso wichtig erkannt wie das Werk selbst. Macht diese das Werk denn durch Besprechung, Rezension= Bewertung und begleitend erhellende Interviews nicht nur publik, sondern verschafft als Ideenrückfluß dem Schaffenden Einsichten, die er aus seiner Person nicht selbst generieren kann.

Beim Schreiben der Charakterschutz-Texte fand ich jedoch heraus, daß man diese Isolation zu einem Teil dadurch überwinden kann, indem man sich wie de Bono in die Lage eines Aussenstehenden "mit Hut" versetzt, der dem Werk kritisch gegenübersteht. Dabei übt man sich gleich in einer größtmöglichen Objektivität- insofern das möglich ist- und schreibt dabei oft Gedanken nieder, auf die man ohne diese Vorgehensweise nicht du tout gekommen wäre. Ich erinnere mich zum Beispiel an einen Satz über eine eingebildete ;-) Remix-CD, zu der mir als Interviewter der Satz "eine mediterran aufgebohrte Version von Glitzerhazy oder: Verchrom Dich italienisch. Mit mehr Motorrollerfeeling, mehr Sonne, alberner Halbstarkencoolness und noch ausgebleichteren Farben. Was ich für kaum möglich hielt" einfiel.
Ohne Darüber-schreiben von einem eingebildeten entfernten Standpunkt aus eine unmögliche Einsicht. Und keine Chance, über diese Formulierungen/Vorstellungen von Musik noch Jahre später ein Schmunzeln ins Gesicht zu kriegen..

Mit sich selbst dabei hart ins Gericht zu gehen hat dabei nichts mit Selbstquälerei, Übervorsichtigkeit oder Sich-im-Weg-stehen zu tun, noch nicht einmal mit Perfektionswillen um jeden Preis: mir ist es hochwillkommene Gelegenheit, die Grenzen der individuellen Inspiration um Längen aufzubohren. Nur mit dieser Technik des Drüber-Schreibens. Als Vorübung dazu gilt mir mittlerweile das Interview als erkennbare Form des Dialogs, als Text gewordene Dialektik.

Also betrachte ich nun die Cover: Fotos mit Buchstaben, die so tun, als seien sie Eingangstüren zu Geschichten, Eintrittsmöglichkeiten in fremde Leben und Gedanken. Quellen der Vorahnungen, bildgestützte Kurz-Haikus des modernen Lebens.

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Musik beim Schreiben heute:

Stacey Kent: “Raconte-moi…” 2010, Parlophone Label Group

Token Productions Quincy Jones: “Big Band Bossa Nova” 1962, Verve