Heute gibts ein paar Anmerkungen zum Thema Namensgebung, denn Titel und Autor gehören ja dringend zu einem KrimiCover: wie also könnte das Buch, der Roman, der sich hinter ein paar Buchstaben auf einem Foto verbirgt, heißen? Der reingretchen-Clou: bei diesem Foto-Projekt fange ich ja verkehrt herum an, gehe chronologisch UND kausal genauso vor wie der unentschlossene Krimileser im Laden:
das Bild kommt zuerst in Blick, dann der auf Titel und Autor.
Daran an schließt sich alles Folgende. Als Beispiel für die Weite der Möglichkeiten hab ich dieses amorphe Winterzugfahrbild hier unten als Ausgangsmaterial ausgesucht.
reingretchen cover: untitledDoch bevor wir zu den einzelnen Bilderläuterungen vordringen, erst mal ein paar einführende Vorbemerkungen zu meiner Beschäftigung mit dem Naming: wer hier öfters mal vorbeischaut, dem wird sicher schon meine Vorliebe für Anglismen -ob nun dornig oder nicht- ins Auge gefallen sein. In dieses Feld gehören auch "Firmennamen", denn um international zu wirken, sind englische Bezeichnungen das Lieblingskind der deutschen Corporate Identifiziererbranche. Auch, wenns um einfachste lokale Gewerbe geht. Dazu gehört NATÜRLICH auf ironische Weise und mit voller Absicht der, äh, Soodlepoodle ;-) : ein Doppelwort, das eine creation aus zwei real existierenden, offiziellen - kein Witz!- englischen Wörter darstellt, wobei kurioserweise "to soodle" bislang keinem native speaker, den ich darauf angesprochen hab, bekannt war. Naja, das Englische hat ja auch noch n paar mehr Worte in stock als das Deutsche hab ich mal gelesen..

Weiterhin ist es nicht zu leugnen: ich mag Sprache halt, das Spiel mit ihr und diese lachenmachende Durchmischung der Herkünfte. Das, im Gegensatz zu vielen Puristen, schmälert mir die Lust an ihr nicht- im Gegenteil. Haha-gerade gefunden auf wikipedia: Hu Wäng, lang Jäng (ist Kölsch und bedeutet: Hohe Wände, lange Gänge; klingt aber chinesisch) Eine jahrelange professionelle Beschäftigung mit populärer Musik sorgte da quasi für ein Suchtverhältnis:

"Als Plattenhändler ist man (bis Anfang der Nuller Jahre, Anm. D. Red.) bei mittleren Ladengrößen von geschätzten 20.000 bis 35.000 Tonträgern umgeben. Die Musiker, die diese verursachten, wollen IMMER originell sein und erfinden nicht nur für sich, sondern auch für ihre Produkte ungewöhnliche Namen, Aussprachen und Schreibweisen. Die armen Händler werden in Folge von Musikbegeisterten belagert, die weder Namen richtig verstanden haben, als der Titel mal im Radio lief, geschweige denn irgendwas buchstabieren, was dem Finden in einer Datenbank, so vorhanden, förderlich wäre."

meinte da mein alter ego el Berndo in einem Charakterschutz-Interview.

Da ist eine persönliche Disposition hinsichtlich gelockerter Assoziation sehr hilfreich. Und, Ihr müßt jetzt tapfer sein: verselbständigt sich irgendwann. Berufskrankheit, y´know.. Ein damit zusammenhängendes, besonderes Feld des Amüsemangs zum Beispiel sind die false friends, denen viele Hiesige immer wieder ins Netz gehen. "Naming" zum Beispiel heißt auf englisch "product naming", auf italienisch, polnisch und spanisch aber ebenfalls, ta-dah: "naming". Doch weiter Richtung Original-Deutsch:

reingretchen cover: Bo Muller: Transitwald

Auch das dem Deutschen eigene Wortschlangenkonstruierendürfen laut Rechtschreibverortung muß natürlich Eingang in die reingretchen-Werkstatt finden. Ist ja auch schon der allgemeine Usus der Verlage. Ich mach mal halb lang und klebe heute immer nur zwei Worte aneinander.. Oder die erstaunlichen Entdeckungen, die ich vor kurzem erst auf goethe.de gemacht hab: das Buch der ausgewanderten Wörter. Das Gegenstück der eingewanderten Wörter hab ich mir auch gleich im Schuber mitbesorgt. Es enthält zum Beispiel den wunderbaren Satz: "Dazu kommt, daß es zu unserem Wort keine treffende deutsche Übersetzung gibt, denn wer möchte schon einen 'Milchschüttler' trinken?" (Klasse 8a, Paul-Klee-Gymnasium, Gersthofen). Grandios!

Doch weiter zum Schauplatz des heutigen Verbrechens, der Namensgebung für Krimis. Da durch die Internettechnologie heutzutage fast jeder erscheinende Krimititel sofort weltweit sichtbar ist, erfordert dies nicht nur sorgfältige Recherche, um Namensgleichheit im gleichen Feld zu vermeiden, auch gar Geheimhaltung bis zum ist da angesagt, um da nicht von dunklen Mitwissern uarrrgh! überrundet zu werden in letzter Phase.

Ich höre sogar von der Möglichkeit, Titel rechtlich schützen zu lassen, naja, iss halt so: "Ein Name prägt die Marke und ist somit eines der wichtigsten Marketingmittel." liest man auf dem mit diesem nicht uzfällig namensgleichen Wiki-Artikel.

reingretchen cover: Thomas Baldwin: Postwurf

Gerade bei so prekären Entscheidungen wie der, das eigene Buch erfolgreich benennen zu wollen, ist also nicht nur Vorsicht, sondern auch extreme Kreativität gefragt- man liest von 96.479 Neuveröffentlichungen im Jahr 2007 (Quelle: der Börsenverein des deutschen Buchhandels via bookpedia) . Die kann man leicht in schwer vorzustellende 11nochwas-Neue-Bücher-pro-Stunde umrechnen!! Da ist es dann irgendwie plöd, zu lesen, daß Buchtitel gar nicht zu Marken gehören...

Auch interessant als Recherche-Abfall zum Thema Titelschutz, nach welchen Warengruppen dieser zu unterscheiden weiß: von "chemischen Erzeugnissen" bis zu "alkoholischen Getränken (ohne Bier)" das alles sortiert ist.. Andererseits, das geb ich unumwunden zu, ist es auch sehr bildend, sich mal um solche halbjuristischen Dinge zu kümmern: man stößt auf andere Krimi-foren, Namens-Ratgeber online und viele weiteren Quellen der ungesuchten Inspiration.

reingretchen cover: Nadege Höker-Vermouth: Geo Häscher

Zum guten tauffrischen Schluß sind da noch die ebenfalls erforderlichen fiktiven Autorennamen der Reingretchen-Krimis. Denn ein Buchtitel sollte auch (mindestens) einen Namen tragen ;-) In erwähnter langjähriger Beschäftigung im Einzelhandel und dem damit einhergehenden Zusammentreffen mit Tausenden von vorbeiziehenden Namen jeglicher Provenienzen auf Kreditkarten muß dieser merkwürdige Reiz, selber Namen zu erfinden, im Stillen gewachsen sein. Fantasie, Erinnerungsvermögen, und hilfreich fürs reingretchen ist für mich zur Zeit ein äußerst anregendes Buch der Branche Familienratgeber, in dem 6000 (!) Namen von Jungen plus ansprechender historischer und geografischer Herkunft verzeichnet sind.

Auch immens anregend ist es, für werdende, namensuchende Eltern in meinem Bekanntenkreis ungefragt kreativ zu werden- da ist der Nachnahme vorgegeben und ich kann nach einiger Zeit Buch-durchackern eine Liste der persönlichen Lieblinge präsentieren, und die Leider-Verlierer in die Buchideen übernehmen. Oder tatsächliche Namen als eine inspirierende Hälfte der fiktiven AutorInnen verwenden: So also kommt es, daß es bei "mir" so interkulturelle Konstruktionen wie Rashid O´Donoghue gibt: arabisch und irisch in einer Person.

Oder mein frisch erwachter Ehrgeiz, NEUE (Vor)namen zu kreieren, was gestern mit "Alphine D´Onclemots" mal wieder passiert ist. Aber frag mich bitte nicht, wie ich da drauf komme... So. Nun hab ich mich freigeschrieben ;-) und Ihr drei Variationen zum Thema an Euch vorbeiscrollen lassen. Hier kommt als viertes noch ein WeihnachtsCover, passend zum ausgehenden November:

reingretchen cover: Pauline Huerta: Strichnin on holiday

Wie Ihr sehen könnt, nimmt das Bild je nach Betitelung ziemlich unterschiedliche Ausstrahlungen an. Man liest die paar Worte und automatisch betrachtet man das Bild unter dem genannten Gesichtspunkt. Sucht geradezu nach einer Verbindung zwischen ihnen. Beim "Transitwald" kommt sofort die vergangene deutsche Teilung aufs innere Auge. Das Bild riecht nach Flucht, Gehetztsein, Jagd und staatlicher Gewalt (Ost). Ganz anders der "Postwurf": da es sich um ein durch Eigenbewegung verwischtes Foto handelt, legt sich hier die Vermutung nahe, daß es um Beute- oder Drogenverstecke im Off oder Ähnliches handeln könnte. Ich denke dabei an ne Geschichte eines mißglückten/vereitelten Transfers heißer Ware. Oder der Suche nach etwas, das es dann doch nicht gibt, oder das verschwunden bleibt.

Wieder anders der Titel "GeoHäscher" zum Bild. Klanglich angelehnt ans beliebte Geo-Cashing als Massenvergnügen würde ich ne Geschichte vermuten, die harmlos anfängt, vielleicht mit begeisterten Anhängerclubs dieses "Sports" und dann ins Thrillerhafte mündet. Ne moderne Version von Deliverance zum Beispiel.. Der Schnee und die farblich angedeutete Kälte täten beim Imaginieren ein Übriges.

Zum guten Schluß mit "Strichnin On Holiday" noch ein meditativer Blick aus dem gewärmten Eisenbahnabteil -so wars ja auch wirklich beim Aufnehmen- Mit dem Titel wäre man direkt in die Gedankenwelt des künftigen, fahrenden Giftmörders versetzt: ein kompletter Perspektivenwechsel- nur durch das Wort zum Bild! Das Ironische der "Weihnachtsmärchen" täte bei mir noch ein Weiteres, mir eine mit unterkühlt-schwarzem Humor gestaltete Geschichte à la Miss Marple vorzustellen... Liegt vielleicht auch grad an meiner Musik-zum-Schreiben hier (siehe ganz unten) ;-)

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Musik beim Schreiben heute:

Eels: “Daisies Of The Galaxy”, SKG, 2000

The Editors: "The Back Room" Kitchenware Records, 2005

Echobelly: "Lustra" EPIC, 1997

Earth, Wind & Fire: "The Best Of Vol. i", CBS, 1978

Earth Nation: "Amnesie", Schallbau, 1998

PS.: merkt Ihr was? Buchstabetisch sortiert! Kein Wunder nicht: alle stehen direkt nebeneinander in meinem äh, Analog-Regal...

Nächster Tag- heute kommen die Bilderbeispiele dazu plus Kommentare:

The Andrews Sisters: "Rarities", MCA, 1984

Ron Goodwin conducts The Odense Symphony Orchestra: "The Miss Marple Films", Label X Europe