Das Bildmaterial, das ich so beim Fotografieren, Sichten, Postkartenmachen, Blogartikelschreiben oder Krimicover projektieren vor Augen hab, taugt erfreulicherweise auch immer dazu, frischen Wind in die bekannte Frage-an-der-Ecke "Hast Du eine Karte?" zu bringen.

Visitenkarten haben zwar einen recht antiquierten Status, ich aber steh auf Daten in materialisierter Form. Also ist mir das Entwerfen von solcherlei Karten immer auf dem Schirm. Ich seh es als ne Art Spielwiese, Lockerungsübung und Anreiz, sein Werk auf die Auswahl und Gestaltung EINES Bildeindruckes zu reduzieren. Außerdem als gern zum Anlaß genommene Notwendigkeit, bei anstehenden Neuen Keiten, sein "Schaufenster" auf 38 Quadratzentimeter aufzufrischen&umzubauen. Nix anderes ist ja so ne Karte: der möglichst stimmige Eindruck eines Moments in der immerwährenden persönlichen und kreativen Entwicklung. Amen.

Die lasse ich dann auch nicht tausend mal drucken, nur weil ich froh bin, daß ich was "Gültiges" gefunden habe. Vielmehr nehme ich ihr "Ausgehen" nach oft schon drei, vier Wochen zum Anlaß, schnell was Neues zusammenzustellen. Auf ner frischen Karte auch ein Fortschreiten des Werkes zu dokumentieren. Kurz: Visitenkarten haben für mich Journal-Charakter. Mit diesem Krimi-Cover-Projekt kämpfte ich nach der Erkenntnis, hier was größeres an Faß angestochen zu haben, erstmal mit der neu zusammenzubauenden Internetseite.

Und irgendwann, als die ersten drei Versionen und Verbesserungen geschafft waren, hatte ich das Gefühl, dafür ne eigene Karte wäre nicht schlecht. Wann genau das Herzel in Knitterrot es " aufs Deckblatt geschafft " hat, weiß ich nicht mehr. Ich kann mich nur noch erinnern, daß ich ein erkennbares Bild dafür verwenden wollte und nicht nur Text, Font und LayOut.



Das Foto von diesem Herztütending fällt aus meiner sonstigen Erkennbarkeit als Soodlepoodle insofern heraus, als es allzusehr nach "gemacht" aussieht. Zu eindeutig herzförmig, zu eindeutig herzlich umrandet, als daß es, wie es tatsächlich auch der Fall war, reine Fundsache sein könnte: eine jähe Erscheinung auf einer Fotoexkursion, die man plötzlich direkt vor sich auf dem frisch betonierten Trottoir findet.

So fiel die Wahl hierauf und diese erste Reingretchen-CallingCard Version ward geboren und findet sich ab sofort in meinem Portemonnaie. Mich erstaunend die Reaktion: man betrachtet das Bild mit einer Mischung aus Neugierde, Faszination und ..jähem Ekel. Durch die geringe Größe und das "Übermalen" des Bildgegenstandes mit Text etwas verschleiert, gibt genau dieses gewonnene Undeutliche immer wieder Anlaß zu dieser gemischten Art emotionalen Feedbacks. Auch trotz meiner fixen Antwort darauf

Das ist doch nur eine Tüte im Regen!

sind die meisten Abgestoßenen nicht in der Lage, diesen ersten, scheuenden Eindruck loszulassen. Und ich frage mich, wie das kommt. Muß etwas mit der augenblicklichen rezeptorischen Verknüpfung meiner Ansage "Ich hab da ein neues Projekt mit Krimis" mit regelmäßigen Film/TV-Konsum zu tun haben, denke ich da. An Ekligkeiten herrscht in den Medien ja kein Mangel und jeder mit TV (ich gehöre nicht dazu, sollte ich erklärend erwähnen)scheint das schon ins persönliche Bildgedächtnis eingepflanzt (bekommen) zu haben.

Erstaunliches PS.: Bei der erfolglosen (!) Wikipedia-Recherche nach dem Begriff "Bildgedächtnis" stieß ich auf den passenden "Kommentar" von Aleida Assmann c/o (mittlerweile etnfernt auf) fotostiftung.ch:

"Bilder werden nicht nur gesehen, man sieht auch mit ihnen und durch sie hindurch. Es gibt kein unschuldiges Sehen, allen Bildern unterliegen anderen Bildern, und was wir sehen, ist immer nur das Differential des bereits Gesehenen."



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Musik beim Schreiben heute:

Fantômas: "Delìrium Còrdia", Southern Record Distributors, 2004

Toufic Farroukh: “Ali On Broadway”, Skydog, 1994