Monthly Archives: December 2011

Alles ist real. Nothing is real..

Ich kauf mir, erst vorgestern, ein Buch über Museumsarchitektur. Eins mit vielen Fotos. Ich freu mich: dieser ganze großartige Bilderschatz – ab sofort und daheim jederzeit zu meiner Verfügung! Aber auch: eine neue Portion State-of-the-Art in meine Hütte. Und ein dicker Nachschlager, um eine von Menschen gestaltete Plätze und Innenräume enzyklopädisch wirkende Gedächtnisstütze im Regal zu haben. Das Verschwindenlassenkönnen der baulichen Stadtlangeweile an bestimmten Tagen, die sich quälend meiner Aufmerksamkeit bemächtigt, on demand gewissermassen.

Wow, denke ich die ersten 150 Seiten lang- was kann man alles machen, wenn der “Repräsentationsgedanke” den ökonomischen mal überholen darf. Dann fische ich mit den Augen nach Angaben des Architekten,  dann nach Baudatum. Noch mehr wow: da stehen Baudaten, drin, die in der Zukunft liegen (!) Ich blättere also in einem Buch, das ich (auch) als potentiellen Reiseführer zu “interessanten” Plätzen der Welt erstanden habe und muß lernen, daß es diese Plätze de facto noch gar nicht gibt.

Und tatsächlich erhasche ich, munter geworden, ab und an einen fotografischen Blick auf Baustellenzustände als winzige Randbilder, während das Große, Prächtige die eigentlichen Seiten füllt. Bei genauerem Hinsehen und jahrelanger Erfahrung als Photoshop-Betreiber fällt mir das Collagenhafte dieser Bilder erst irritierend, dann immer stärker ins Auge. Die Frage taucht auf, ob ich mir mit so einem Buch nicht genarrt vorkommen mag. Aber: Museumsarchitektur als Buch muß ja keineswegs Beispiele in der offline-welt aufweisen können. Es geht hier, das ist eindeutig, um Ideen. Die Darreichungsform Print  und die gerenderten Ergebnisse darin passen für mich nur konzeptionell nicht so recht zusammen. Unwillkürlich muß ich an komplett virtuelle Welten denken, an die Games World, an Achitektur Simulations Software, aber auch an solch faszinierende künstlerische (Gedanken)Weiterentwicklungen wie die des Fotografen Robert Overweg. Der klickt oder scrollt oder hackt sich in seinen Spielewelten bis zum “Rand” und macht dann ein Erinnerungsfoto..

Von noch mehr Bildern dieser realen Welt, die diese langsam zu überwuchern drohen, so erfahre ich von einem (leider vom Netz genommenen) Artikel bei frieze d/e, werden per Rechnerleistung, Mustererkennungsalgorithmen und Geodaten, die mittlerweile automatisch per Kamera zum Bild dazugespeichert werden, zusammengefügt. Das Resultat ist eine (noch) einzigartige neue Virtualisierung der Welt, die von miteinander Unbekannten Fotografen, Amateuren und Handyknipsern durch Freigabe als etwas neues Ganzes kreiert werden.

Bei dieser vormittäglichen Lektüre erwacht meine Faszination mit der Vorstellung, wie diese Welt wohl in der Zukunft erfahren werden wird. Und ich kann als Anregung mal wieder aus meinem Charakterschutz zitieren, da, wo er sich mit Kindern, ihrer Assimilation der virtuellen Welt (der GAMES) und ihrer (möglichen künftigen) Erfahrung der Welt beschäftigt:

“Auch hier spielt sich das wahre Leben ab, es sieht nur künstlich aus. Dabei ist es nur ein Schritt näher an der Verwirklichung uralter Menschheitsträume, und die sind rather konstant, würde ich mal so behaupten. Beispiel: Rapper virtualisieren sich. Werden den Kindern zu fernsteuerbaren Gutewichten. Und somit unsterblich, leben ihre digitalen Abdrücke doch das Leben der Kinder mit, werden zu Spielkumpanen. Zwar in ihrem Leben jetzt virtuell, dafür in deren zukünftigen Memoiren real.”